0699 - Das Erwachen der Hexe
nicht mehr der Fall sein sollte.
Der Mann hatte den Wagen erreicht. Sein Gesicht würde ich nie vergessen, und bevor er einstieg, lachte er und rief mir noch seinen Namen zu.
»Ich heiße übrigens Kyle, Bulle. Vielleicht bin ich der Teufel, der dich zur Hölle schicken wird.«
Lachend bückte er sich und stieg rückwärts ein.
Ich spannte mich.
Jetzt war die Waffe nicht mehr auf mich gerichtet. Rechts von mir war ein kleiner Vorgarten angelegt worden, auf einem Feld, ungefähr so groß wie die Parkfläche.
Dort wuchsen nicht nur Blumen, auch grünes Buschwerk breitete sich aus. Zwar nicht sehr hoch, aber immerhin hoch genug, um mir Deckung geben zu können.
Ich warf mich hinein.
Noch während des Vorgangs kam ich mir vor wie eine Flunder, die keine Kraft mehr hatte. Du bist viel zu langsam, schoss es mir durch den Kopf, viel zu langsam.
Dann landete ich im Gesträuch.
Es brach unter mir zusammen. Zweige knackten, der Boden war weich, ich rollte mich weiter, zog meine Beretta und hörte plötzlich ein Klatschen, als hätte jemand mit einer Faust in den weichen Boden geschlagen. Gleichzeitig verloren Zweige einige Blätter, die durch die Luft trudelten, abgerissen von der Kugel, die aus der Waffe mit dem Schalldämpfer abgefeuert worden war.
Ich blieb liegen, zog die Beine an und machte mich so klein wie möglich. Dann hörte ich die Reifen.
Sie kreischten, als der Scorpio startete.
Jetzt schnellte ich hoch.
Der Wagen war schon weg. Nicht einmal die Nummer konnte ich erkennen. Ein schwarzer Blitz, der es geschafft hatte, sich ohne Verzögerung in den Verkehr einzufädeln.
Ich ließ die Hand mit der Beretta sinken und ärgerte mich über mich selbst.
Wieder war es mir nicht gelungen, ein Versprechen zu halten. Ich hatte Tricia Bell beschützen wollen, und es war mir nicht gelungen. Sie befand sich in der Hand der Schattenkirche.
Ich ging zurück ins Haus. Als Erstes hob ich mein Kreuz auf, das immer noch dort lag, wo Tricia es fallen gelassen hatte.
Ein Anruf bei Suko musste genügen. Sollte er dann dafür sorgen, dass eine Fahndung nach dem Scorpio angekurbelt wurde. Ob es Sinn hatte, stand in den Sternen…
***
»Wenn du dich erhebst, schieße ich dir ein Loch in den Schädel!«, erklärte der Mann auf dem Beifahrersitz. Seine Stimme hatte sich angehört, als würde er keinen Spaß verstehen.
»Okay«, keuchte Tricia, »okay…« Sie lag auf dem Sitz und wusste selbst nicht, woher sie die Kraft nahm, überhaupt sprechen zu können. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie sich inzwischen mit ihrer Lage abgefunden hatte. Ihr Gesicht hatte sie gegen den Stoff gepresst, der nach Rauch und Schweiß roch, eigentlich ein ekliger Gestank.
Sie schüttelte sich auch einige Male, aber die Anspannung ließ immer mehr nach.
Allmählich konzentrierte sich Tricia auf die anderen Geräusche, die sie umgaben.
Da war vor allen Dingen das Aufschreien der Reifen, wenn der Wagen zu schnell in eine enge Kurve gelenkt wurde. Dreimal hörte sie es, dann mussten sie die unmittelbare Umgebung ihres Hauses verlassen haben und fuhren in einem normalen Tempo weiter, denn sie wollten auf keinen Fall auffallen.
Sie hatte in ihrer Panik nicht einmal feststellen können, in welche Richtung sie jagten, aber Tricia wusste, dass sie sich in den Fängen der Schattenkirche befand.
Schon sehr lange hatte sie wie ein düsteres Omen über ihr geschwebt und es auch geschafft, sie fast auf ihre Seite zu ziehen. Ein Beweis dafür waren ihre Handflächen, auf denen das Kreuz seine dunkelroten Spuren hinterlassen hatte.
Die Haut schmerzte. An manchen Stellen zitterte das rohe Fleisch wie gefärbter Pudding.
Nur bluteten die Wunden nicht mehr. An den Rändern hatte sich der rote Lebenssaft zusammengeklumpt und bildete dort kleine Kügelchen. Die Haut spannte sich. Wenn sie die Hände zu Fäusten ballen wollte, zuckten Schmerzen auf.
Was würde sie erwarten?
Die Frage stand vor ihren Augen, sie hämmerte in ihrem Kopf, aber sie war nicht in der Lage, eine Antwort zu finden. Zu weit entfernt befand sich die Schattenkirche. Obwohl sie die Einbandgestaltung für dieses Buch gestaltet und auch ab und zu ein paar Seiten gelesen hatte, informiert war sie deswegen nicht.
Die beiden Männer vorn unterhielten sich nicht. Jeder wusste genau, was zu tun war, sie bildeten ein perfektes Team, und Tricia, die es wagte, sich auf die Seite zu legen, schielte in die Höhe.
Vor ihr befanden sich die Rückseiten der Sitze. Kopfstützen waren ebenfalls
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