0699 - Das Erwachen der Hexe
kaum etwas gewusst hatte.
Kyle redete, schaute Tricia aber nicht an, sondern sah gegen den Rücksitz. »Du bist diejenige Person, die eine Erneuerung bringt. Du wirst dafür sorgen, dass sie sich von ihrem Fluch lösen kann, um wieder diese Welt zu betreten. Lange genug hat es gedauert, aber ihre Zeit musste einfach kommen, denn es existiert bereits ein Partner, an dessen Seite sie treten wird.«
»Ich verstehe das alles nicht«, sagte Tricia.
»Hast du nicht ihren Odem gespürt? Hast du nicht bemerkt, wie sehr sie die Kontrolle über alles finden kann? Sollte dir das tatsächlich entgangen sein?«
»Was denn?«
»Sie ist schon so weit, dass sie deine Vögel allein durch die Kraft ihres Willens und ihrer Gedanken töten kann. Sie hat für den Sturm gesorgt, sie merkt, dass ihre Kräfte erweitert wurden, dass die Zeit des langen Schlafs vorbei ist. Noch in dieser Nacht wird der Austausch stattfinden, und du wirst dich nicht dagegen wehren können.«
»Wer ist sie denn?«
Kyle flüsterte die Antwort. »Eine Große, eine Mächtige, eine Königin und Herrscherin, aber das wirst du bald erkennen können.« Er lachte und rieb seine Hände. »Sollen sich die Bullen auch anstrengen wie nie zuvor. Wir werden ihnen entwischen!«
Der Mann hinter dem Steuer drehte sich um. »Bleibt es dann bei unseren Plänen?«
»Nichts hat sich geändert.«
»Wann fahren wir?«
»Gib ihm ein Zeichen.«
Der Fahrer holte ein Sprechfunkgerät aus der Tasche, zog die Antenne heraus und stellte die Verbindung zu dem Mann her, der im Lastwagen saß.
»Fahr ab.«
»Auf direktem Weg?«, quäkte es zurück.
»Sicher.«
Für den Mann im Fond war die Sache erledigt. Er steckte das Gerät wie der weg und drehte sich kurz um.
Kyle grinste böse und voller Triumph, während Tricia stumm dasaß und nur zusammenschreckte, als der Motor des Lastwagens aufbrummte.
Die Fahrt begann…
***
Dunkelheit - die Zeit der Stille, des Vergessens, des Todes, des Zerfalls.
Sie wusste alles darüber, sie kannte sich aus, aber sie kam nicht dagegen an.
Sie wusste nicht einmal, wann es begonnen hatte. Irgendwann vor urlanger Zeit, da hatte man sie erwischt, als sie vor Liliths Altar kniete. Man hatte sie gefangen, nicht gefoltert, nicht verbrannt, aber sie trotzdem getötet.
Man hatte sie bei lebendigem Leibe begraben!
Verscharrt in unheiliger Erde, wo auch die Mörder und Schänder lagen. So sollte sie langsam sterben, ersticken unter dem Druck der Erde, unter dem Mangel an Luft.
Aber sie war nicht tot.
Lilith hatte mit ihr ein Einsehen gehabt, und Lilith hatte ihr auch gesagt, dass sie irgendwann erwachen würde, wenn sie den richtigen Partner gefunden hatte.
Allein sollte sie nie mehr kämpfen. Es musste ein Schwarzblüter sein, der ihr zur Seite stand.
Und so hatte sich die Hexe damit zufrieden gegeben.
Aber es dauerte lange, sehr lange sogar. Sie konnte sich an nichts mehr erinnern, während ihre Haut allmählich in den Zustand der Verwesung überging und so etwas bildete, das an eine feuchte, verschrumpelte Schale erinnerte.
Darunter war sie jung geblieben. Da lebte der Körper, da reichte die Kraft der Lilith aus.
Und es kam die Zeit, wo Lilith es geschafft hatte, in ihrem ureigenen Namen die Schattenkirche aufzubauen. Sie hatte jetzt genügend Diener an ihrer Seite, die sich auch um die Hexe kümmern konnten. Das Spiel unter dem Titel Leben ging auch für sie weiter.
Das Grab wurde geöffnet, ihr Körper hervorgeholt und in einem gläsernen Sarg aufbewahrt.
Sie konnte sehen, sich aber nicht rühren. Sie erinnerte sich an die Fackeln, an die Kerzen, an die Tänze der Mitglieder aus der Schattenkirche, und sie hatte die Hasstiraden und Gotteslästerungen gehört, die aus ihren Mündern gedrungen waren.
Aber auch, dass Lilith einen Partner für sie gefunden hatte.
Eine männliche Person, ein Schwarzblüter, einer, der sich ein großes Reich aufbauen wollte.
Noch musste sie warten…
Wieder verging Zeit, aber längst nicht mehr so viel wie vor ihrem Erwachen.
Es war nur eine kurze Unterbrechung, bis die beiden Männer in ihrer dunklen Kleidung an den gläsernen Sarg herantraten und ihn an einen anderen Ort brachten.
»In der nächsten Nacht wirst du endgültig erwachen!«
So lautete ihr Versprechen, und die Hexe fieberte der Zeit entgegen…
***
Wir waren nicht mit großer Mannschaft gekommen, obwohl sich zwei Einsatzwagen im Hintergrund aufhielten. Keiner von uns wusste, wie viele Mitglieder die Schattenkirche zählte und wie
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