0699 - Schule des Satans
fasste ihn am Arm, zog seine Hand aber direkt wieder zurück.
»Du bist eiskalt«, sagte er überrascht.
Nicht ich, korrigierte ihn Zamorra in Gedanken, sondern das, wodurch ich gerade gegangen bin. Er dachte an die Geistgestalten, die auf Norman gezeigt hatten, und behielt die Erkenntnis für sich.
»Hier unten ist es ja auch kalt«, entgegnete er stattdessen. »Lass uns wieder nach oben gehen.«
Er konnte sehen, dass Norman ihm nicht glaubte. Sein Gesichtsausdruck war enttäuscht und ängstlich zugleich.
Zamorra bedauerte es, einen alten Freund belügen zu müssen, aber er hegte den Verdacht, dass der Direktor auch ihn belogen hatte. Je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er, dass die satanischen Utensilien im Keller nicht mehr als der Versuch waren, ihn auf eine falsche Spur zu locken.
Sie trennten sich fast wortlos in der Eingangshalle. Zamorra ging in sein Zimmer, fand es jedoch leer vor. Seine Sorge um Nicole wuchs. Sie hätte längst wieder zurück sein müssen.
Und wofür benötigte sie das Amulett? Dass es verschwunden war, ließ nur den Schluss zu, dass sie es gerufen hatte. Was war passiert?
Er setzte sich unschlüssig auf das breite Doppelbett und überlegte seine nächsten Schritte.
Nach Nicole zu suchen machte wenig Sinn. Er hätte allein für das Schloss Stunden gebraucht. Außerdem wusste er immer noch nicht, was sich in der Schule abspielte und ob es einen Zusammenhang zwischen den Intelligenzbestien und den Geistern gab, die er gesehen hatte.
Momentan fühlte er sich wie jemand, der in einem dunklen Raum auf eine unsichtbare Zielscheibe schoss. Ab und zu traf er zufällig, meistens gingen seine Schüsse jedoch daneben.
Wenn er über Nicoles telepathische Fähigkeiten verfügt hätte, wäre eine Konfrontation mit Alexander oder sogar Norman eine Möglichkeit gewesen, aber so musste er sich etwas anderes einfallen lassen.
Zamorra stand auf und verließ das Zimmer. Er hatte eine Idee, von der er hoffte, dass sie die Gegenseite provozieren würde, ohne ihm eine Beule einzubringen.
Als er die Tür hinter sich schloss und den Gang entlangging, hatte er das deutliche Gefühl, beobachtet zu werden. Er spürte die Blicke in seinem Rücken, aber jedes Mal, wenn er sich umdrehte, war der Korridor menschenleer.
Die Unterrichtsräume, die Zamorras Ziel waren, lagen ein Stockwerk tiefer. Dort standen die Türen offen. In den Klassenzimmern war niemand zu sehen. Der Dämonenjäger fragte sich, wo die Schüler und ihre Lehrer waren.
Er betrat einen der Räume und nahm eine Pappschachtel mit Kreide aus dem Pult. Es war zwar keine magische Kreide, aber für das, was er vorhatte, würde sie ausreichen. Er wollte gerade das Zimmer verlassen, als er Schritte auf dem Gang hörte. Instinktiv wich er zurück.
Die Schritte kamen näher, gingen an der Tür vorbei.
Zamorra trat leise in den Gang und sah Miss Radcliffe, die einen Koffer und eine Umhängetasche trug und auf die Treppe zuging. Ihre Bewegungen wirkten unkoordiniert und hektisch.
»Miss Radcliffe.«
Die Lehrerin schrie auf, als sie Zamorras Ruf hörte und fuhr herum. Die Umhängetasche rutschte von ihrer Schulter und fiel zu Boden.
»Sie sind das«, sagte Miss Radcliffe atemlos. »Sie hätten mich beinahe zu Tode erschreckt.«
»Tut mir leid. Ich wollte nur wissen, ob ich Ihnen mit den Koffern helfen soll.«
Sie schüttelte den Kopf und hob die Tasche auf. »Nein, ist nicht nötig. Mein Wagen steht direkt vor der Tür.«
»Verreisen Sie jetzt, mitten im Schuljahr?«, fragte Zamorra, während er auf sie zuging.
»Ja… ich habe mich beurlauben lassen. Nach dem Stress der letzten Tage brauche ich einfach etwas Zeit für mich allein. Das können Sie sicher verstehen.«
»Natürlich«, sagte er verständnisvoll. »An Ihrer Stelle würde ich auch erst zurückkommen, wenn die filii noctis ihr Werk verrichtet haben.«
Elsa Radcliffe wurde blass. Sie legte die Hand auf das Treppengeländer, als müsse sie sich abstützen. »Woher… hat Norman es Ihnen gesagt?«
Zamorra nickte.
Komm schon , dachte er. Verrat mir etwas, das ich nicht weiß.
Die Lehrerin seufzte. »Dann wissen Sie ja auch, was heute Abend auf dem Spiel steht. Dieses Mal muss es uns einfach gelingen. Ich werde die anderen Lehrer und Sicherheitsbeamten in der Stadt bitten, für Sie und Norman zu beten. Wir…«
Etwas Kaltes berührte Zamorra. Er wollte danach greifen, aber seine Hand glitt hindurch, als hätte er sie in Eiswasser getaucht.
Im gleichen Moment
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