0699 - Schule des Satans
hat unsere Kinder geholt! Wir sind verflucht!«, und alle begannen zu stöhnen und zu jaulen wie getretene Hunde. Erst in diesem Moment entdeckte ich das Feuerholz, das von innen gegen die Tür gestapelt worden war.
Ich ahnte, wofür es verwendet werden sollte.
Nach einer Weile begannen die Mönche zu singen. Ihre Stimmen klangen wundervoll in dem großen Raum. Nur Bruder Nigel betete. Er stand auf und nahm eine Fackel aus ihrer Halterung. Mit gemessenen Schritten ging er auf die Tür zu. Als er an dem Fenster, durch das ich blickte, vorbeikam, hörte ich die lateinischen Worte, die er sprach.
»Oh Herr«, sagte er, »wir reinigen unsere Seelen im Feuertod, auf das die Kinder zurückkehren aus den Fängen des Satans und erneut wandeln auf dem Angesicht der Erde. Nimm dieses Opfer, oh Herr…«
Der Gesang wurde lauter und ich spürte, wie die Scheiben unter ihm erbebten. Ich schrie den Mönchen entgegen, dass ich noch bei ihnen war, dass Satan mich nicht verführt hatte, aber sie hörten mich nicht.
Ich schrie, bis meine Stimme heiser wurde und die Flammen des Feuers die weißen Kutten der Brüder erfassten. Erst dann, als ihre Schreie meine eigenen übertönten und ihre torkelnden Körper zwischen den Bänken zusammenbrachen, gab ich auf.
Womit ich die nächsten Stunden verbrachte, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass ich zu mir kam und die Sonne über den Bäumen versinken sah. Es musste irgendwann geregnet haben, denn meine Kleidung war durchweicht und das Wasser lief mir aus den Haaren ins Gesicht.
Die Kapelle war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Es stank nach Rauch und Asche. Dass das Feuer nicht auf das Kloster übergegriffen hat, ist wohl dem Regen zu verdanken.
Ich beschloss, mich umzuziehen und das nächste Dorf aufzusuchen, deshalb ging ich noch einmal in die Schule.
Als ich den Schlafsaal betrat, traute ich meinen Augen nicht.
Vor mir stand Alfred.
Er trug sein weißes Nachtgewand und sah mich mit einem merkwürdig überlegenen Lächeln an. Für einen Augenblick glaubte ich, Gott habe das Opfer der Brüder angenommen und
die Verlorenen zurück in die Welt geschickt, doch dann bemerkte ich ein weißes Papier in Alfreds linker Hand.
Filii noctis , stand darauf.
»Du bist der Letzte«, sagte Alfred und streckte mir seine Hand entgegen. »Ich möchte nicht, dass du zurückbleibst. Komm mit mir.«
Geh mit dem Antichristen und schmore in der Hölle, zischte Bruder Drummonds Stimme in meinem Kopf. Er hat die Brüder getötet. Er hat mich getötet!
Wie soll icherklären, was als nächstes geschah? Was kann ich zu meiner Verteidigung anbringen?
Vielleicht die plötzliche Wut, die mich überkam wie ein Fieber und meinen Blick trübte. Vielleicht trägt auch meine Hand die Schuld, die ohne meinen Willen den Schürhaken ergriff und zuschlug - immer und immer wieder…
Irgendwann war es vorbei.
Die Wut wich und der Schürhaken rutschte aus meinen blutigen Fingern. Die Stimme verschwand aus meinem Kopf, ließ mich leer und einsam zurück. Es konnte keinen Zweifel daran geben, dass Alfred tot war, dass ich ihn umgebracht hatte, denn er lag mit zertrümmertem Schädel vor mir auf den Steinen.
Er ist gestorben wie ein Mensch, nicht wie eine Kreatur der Hölle - und sein Blut ist rot.
Jetzt sitze ich neben ihm und halte Totenwache, weil sonst niemand mehr übrig ist. Ich weiß, dass Bruder Drummond mich belogen hat. Alfred war nicht der Antichrist. Vielleicht hat Satan ihn besessen, aber selbst dann hätte ich ihn nicht töten dürfen. Ein Priester hätte ihm bestimmt geholfen, doch dazu ist es jetzt zu spät.
In meinen Händen halte ich die Einladung der filii noctis. Es ist seltsam, aber ich glaube, dass ich Vergebung erfahren werde, wenn ich Alfreds letzten Wunsch respektiere und den anderen in den Keller folge.
Ja, ich weiß, dass sie dort sind. Sie sind alle im Keller.
Und dort werde ich auch sein, wenn die Nacht vorüber ist.
***
Mit dem Amulett verschwanden auch die Geister.
Zamorra fluchte leise und fragte sich, ob sie tatsächlich weg waren oder ob er sie ohne Merlins Stern e infach nicht mehr sehen konnte. Gleichzeitig machte er sich Sorgen um Nicole. Sie hatte die magische Waffe bestimmt nicht grundlos gerufen.
»Was ist los?«, fragte Norman, aber der Dämonenjäger winkte nur ab.
»Nichts«, sagte er. »Ich habe mich geirrt. Hier ist nichts.«
Er ging auf die Tür zu und spürte für einen Augenblick eine plötzliche Kälte, die ihn schaudern ließ.
Der Schuldirektor
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