07 - Asche zu Asche
»Mist. Livie ...«
»Es macht nichts«, erwiderte sie. »Wir wollen doch hier nicht unsere Leiden vorführen, Chris. Die interessieren den Inspector nicht. Er möchte nur wissen, wo ich Mittwoch abend war.«
Sie hob den Kopf und sah Lynley an, während sie sagte: »Auch wo du warst, Chris. Ich vermute, das wird er auch wissen wollen. Die Antwort ist einfach. Ich war hier, wo ich immer bin, Inspector. Hier auf dem Boot.«
»Kann das jemand bestätigen?«
»Leider wußte ich nicht, daß ich einen Zeugen brauchen würde. Beans und Toast wären natürlich jederzeit bereit, es zu bestätigen, aber da wird's wohl Verständigungsschwierigkeiten geben.«
»Und Mr. Faraday?«
Faraday richtete sich auf. Er rieb sich den Nacken. »Ich war aus«, sagte er. »Zusammen mit ein paar Freunden auf einer Party.«
»Wo?«
»In Clapham. Ich kann Ihnen die Adresse geben, wenn Sie sie möchten.«
»Wie lange waren Sie weg?«
»Ich weiß nicht. Es war spät, als ich zurückkam. Ich hab erst noch jemanden nach Hause gefahren, nach Hampstead. Es wird wohl so gegen vier gewesen sein.«
»Und Sie haben geschlafen?« Lynley richtete das Wort wieder an Olivia.
»Was sonst?« Olivia hatte wieder ihre frühere Position eingenommen, den Kopf nach rückwärts gelehnt, die Augen geschlossen. Sie streichelte die Katze, die auf ihren Oberschenkeln lag.
»Es gibt für das Haus in Kent einen zusätzlichen Schlüssel«, sagte Lynley. »Ihre Mutter meint, Sie wüßten davon.«
»Ach ja?« murmelte Olivia.
»Er ist verschwunden.«
»Und Sie würden gern mal nachsehen, ob er hier ist? Aber dazu brauchen Sie schon einen Durchsuchungsbefehl. Haben Sie den?«
»Ich denke, Sie wissen, daß sich so etwas ohne Schwierigkeiten besorgen läßt.«
Ihre Augen öffneten sich einen Spalt. Um ihre Lippen zuckte ein Lächeln. »Wie kommt es, daß ich den Eindruck habe, Sie bluffen, Inspector?«
»Hör auf, Livie«, sagte Faraday mit einem Seufzen. Und zu Lynley gewandt: »Wir haben keinen Schlüssel zu irgendwelchen Häusern in Kent. Wir waren seit - ich weiß gar nicht mehr, wie lange - nicht mehr in Kent.«
»Aber Sie waren einmal dort?«
»In Kent? Klar. Aber nicht in einem Haus. Ich wußte überhaupt nicht, daß ein Haus existiert, bis Sie davon anfingen.«
»Sie selbst lesen also die Zeitungen nicht? Die, die Sie Miss Whitelaw mitbringen?«
»Doch, natürlich lese ich die.«
»Aber das Haus ist Ihnen nicht aufgefallen, als Sie die Berichte über Fleming lasen?«
»Ich habe die Berichte über Fleming nicht gelesen. Livie wollte die Zeitungen haben. Ich habe sie ihr geholt.«
»Sie wollte sie haben? Ausdrücklich? Warum?«
»Weil ich sie immer haben will«, fuhr Olivia dazwischen. Sie streckte den Arm aus und umschloß Faradays Handgelenk mit ihren Fingern. »Mach doch das Spiel nicht mit«, sagte sie zu ihm.
»Er will uns nur in eine Falle locken. Er möchte beweisen, daß wir Kenneth Fleming abgemurkst haben. Wenn er das vor dem Abendessen schafft, bleibt ihm wahrscheinlich ein bißchen Zeit, um's mit seiner Freundin zu treiben. Falls er eine hat.« Sie zog Faraday am Arm. »Hol mir meine Kutsche, Chris.« Und als er nicht sofort reagierte, meinte sie: »Es ist okay. Es spielt keine Rolle. Komm schon. Hol sie.«
Faraday ging durch die Tür zur Küche und kehrte mit einer fahrbaren Gehhilfe aus Aluminium zurück. Er sagte: »Beans, auf die Seite«, und als der Hund Platz gemacht hatte, stellte er die Gehhilfe vor Olivias Sessel. »Okay?« fragte er.
»Okay.«
Sie reichte ihm die Katze, die protestierend miaute, bis Faraday sie auf den abgeschabten Cordpolster eines anderen Sessels verfrachtete. Er wandte sich wieder Olivia zu, die das Gestänge ihrer Gehhilfe faßte und sich langsam auf die Füße zog. Sie stöhnte und murmelte: »O Mist, verdammt«, als sie schwankte. Sie schüttelte Faradays helfende Hand ab. Als sie endlich aufrecht stand, starrte sie Lynley trotzig an.
»Na, bin ich nicht eine tolle Mörderin, Inspector?« fragte sie.
Chris Faraday wartete im Innern des Hausboots, am Fuß der Treppe. Die Hunde tummelten sich zu seinen Füßen. Sie stießen mit ihren Köpfen gegen seine Knie, da sie glaubten, es stünde ein Spaziergang bevor. Die richtige Kleidung dafür trug er. Er hatte eine Hand auf dem Treppengeländer liegen. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, ehe er hinaufrannte und sie mitnahm.
Tatsächlich aber lauschte er den Geräuschen, die den Abgang des Kriminalbeamten begleiteten, und wartete darauf, daß
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