07 - Asche zu Asche
verstehen wollte.
»Gut«, sagte sie schließlich. »Wir können ins Dorf gehen und uns dort umsehen. Das sind von hier aus nur zehn Minuten zu Fuß.«
Der Pfad begann bei der Quelle, etwa fünfzig Meter vom Haus entfernt. Es war ein vielbegangener Weg, der von dem Bach aus, der dem Quellbecken entsprang, in sanfter Steigung aufwärts führte, an mehreren Koppeln entlang, dann an einem Obstgarten vorbei, in dem weiß-rosa blühende Apfelbäume, um die sich niemand kümmerte, langsam von der Waldrebe überwuchert wurden. Auf der anderen Seite des Wegs mischten sich weiße Taubnesseln und Brombeergestrüpp, und die vielstrahligen weißen Dolden von Wiesenkerbel hoben sich vom dunklen Grün des Efeus ab, der an Eichen, Erlen und Weiden emporkletterte. Die meisten Bäume am Weg und am Bach waren schon voll belaubt, und das charakteristische Zi-ip, dem ein kräftiger, klarer Pfiff antwortete, verriet, daß sich Grasmücken und Drosseln in den Hecken tummelten.
Trotz ihrer Schuhe - hochhackigen Sandalen, mit denen sie Lynley fast überragte - bewegte sich Isabelle Ardery flink und gewandt. Sie schlug knappe Bögen um ausufernde Hecken und vordringendes Gestrüpp, tauchte unter tiefhängenden Zweigen hindurch und sprach beim Gehen über die Schulter mit Lynley.
»Die Fasern, die wir am Zaun hinten im Garten gefunden haben, sind identifiziert. Es ist Köper. Sie stammen von Blue Jeans.«
»Damit reduziert sich der Kreis der Verdächtigen auf fünfundsiebzig Prozent der Bevölkerung«, stellte Havers leise fest.
Lynley, der ein paar Schritte vor ihr ging, warf ihr einen mahnenden Blick zu. Keinesfalls wollte er jetzt, da es ihm gelungen war, die, wenn auch widerwillige, Kooperation Isabelle Arderys zu gewinnen, den zerbrechlichen Frieden durch eine von Barbaras spontanen Bemerkungen im falschen Moment aufs Spiel gesetzt sehen. Sie fing seinen Blick auf und erwiderte lautlos: Tut mir leid.
Isabelle Ardery hatte die Bemerkung entweder überhört oder sich dafür entschieden, sie zu ignorieren. Sie sagte: »Es war Öl an den Fasern. Wir haben sie sicherheitshalber zur Analyse gegeben, aber einer unserer Männer, der schon sehr lange bei uns ist, hat sich die Sache unter dem Mikroskop genau angesehen. Er meint, es handle sich um Motoröl. Ich neige dazu, ihm zu glauben. Er arbeitete schon in der Forensik, bevor es Chromatographen gab; er weiß also meistens, was er vor sich hat.«
»Und die Zigaretten?« fragte Lynley. »Die im Haus und die im Garten. Haben wir da schon etwas?«
»Nein, die sind noch nicht identifiziert.« Isabelle Ardery eilte weiter, als befürchte sie, Lynley könnte darauf bestehen, die Fundstücke an fähigere Leute bei New Scotland Yard zu übergeben.
»Unser Mann kommt heute aus Sheffield zurück. Er hat dort an einer Konferenz teilgenommen. Er bekommt die Zigaretten gleich morgen früh, und wenn er sie erst einmal im Labor hat, wird es nicht lange dauern.«
»Es gibt noch keinen vorläufigen Befund?« bohrte Lynley nach.
»Er ist unser Fachmann«, betonte sie. »Natürlich lassen sich Vermutungen anstellen, aber wozu sollten die taugen? Bei einer Zigarettenkippe gibt es acht verschiedene Identifizierungsmerkmale, und ich lasse sie lieber von einem Experten überprüfen, ehe ich vielleicht eine oder zwei selbst untersuche, dann einen Tip hinsichtlich der Marke abgebe und hinterher feststellen muß, daß ich mich getäuscht habe.«
Sie blieb vor einem Zaun stehen, der den Weg versperrte. Ein von Flechten überwachsenes, vorgezogenes Brett bildete den einfachen Zauntritt. »Hier«, sagte sie.
Die Erde rund um den Zauntritt war weicher als die auf dem Pfad. Sie war von vielen Fußabdrücken gezeichnet, die meisten verwischt und von anderen überlagert. Das Spurensicherungsteam hatte in der Tat Glück gehabt, daß es den Abdruck gefunden hatte, der zu dem aus dem Garten von Celandine Cottage paßte. Es war fast ein kleines Wunder.
»Er befand sich mehr am Rand«, bemerkte Isabelle Ardery, die Lynleys Überlegungen wohl erraten hatte. »Hier, wo die Gipsbrösel sind.«
Lynley nickte und blickte über den Zaun. Vielleicht hundertfünfzig Meter in nordwestlicher Richtung konnte er die Dächer von Lesser Springburn sehen. Der Fußweg war deutlich markiert, ein ausgetretener Pfad, der sich vom Bach abwandte, über einen Gleiskörper führte, eine Obstpflanzung umrundete und in eine kleine Wohnsiedlung mündete.
Sie setzten ihren Weg fort. An der Wohnsiedlung wurde der Pfad endlich so breit, daß
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