07 - Asche zu Asche
ab und jagte dem Jungen hinterher. Sie folgte ihm, immer wieder den Namen ihres Sohnes rufend.
Jimmy rannte den schmalen Betonweg zwischen den Häusern entlang. Er warf einen Blick zurück und legte Tempo zu. An einem Gartentor kurz vor Ende des Wegs lehnte ein Fahrrad. Er schleuderte es im Vorbeilaufen hinter sich auf den Weg und sprang zu dem Maschendrahtzaun hin, der die Mauer am Ende des Fußwegs krönte. Er kletterte über den Zaun und ließ sich auf der anderen Seite zur Plevna Street hinunterfallen.
Lynley setzte mit einem Sprung über das Fahrrad hinweg und hielt auf eine Holztür in der Mauer zu, die der Junge verschmäht hatte. Sie war abgesperrt. Er sprang in die Höhe und hängte sich mit beiden Händen an den Maschendrahtzaun. Von der anderen Seite der Mauer hörte er Barbara Havers' laute Stimme; dann die donnernden Schritte rennender Menschen. Zu vieler Menschen.
Er zog sich an dem Maschendrahtzaun hoch, kletterte hinüber, sprang zur Straße hinunter und sah gerade noch, wie Barbara die Plevna Street in Richtung Manchester Road hinaufjagte. Drei Männer, einer von ihnen mit zwei Fotoapparaten bewaffnet, folgten ihr. Lynley sagte: »Gott verdammt«, und rannte dem Quartett hinterher.
Er brauchte zehn Sekunden, um die Journalisten zu überholen. Noch einmal fünf Sekunden, um Barbara einzuholen.
»Wo?« fragte er.
In vollem Lauf streckte sie den Arm aus, und Lynley sah hin. Er war an der Straßenecke schon über den nächsten Zaun in einen Park gesprungen und stürmte einen gewundenen Backsteinweg in Richtung Manchester Road entlang.
»Dumm von ihm«, keuchte Barbara.
»Warum?«
»Da vorn ist das Revier. Ungefähr eine Viertelmeile von hier. Zum Fluß hin.«
»Rufen Sie dort an.«
»Von wo?«
Lynley zeigte zur Ecke Plevna Street und Manchester Road, wo ein niedriger Backsteinbau stand, der durch zwei rote Kreuze gekennzeichnet war und, ebenfalls in Rot, die Aufschrift »Ärztehaus« trug. Barbara hielt auf das Haus zu, Lynley rannte außen um den Park herum.
Jimmy raste aus dem Park in die Manchester Road und sprintete in südlicher Richtung weiter. Lynley rief seinen Namen, und im selben Augenblick bogen Jean Cooper und die Journalisten aus der Plevna Street um die Ecke und stießen zu ihm.
Die Reporter schrien: »Wer ist -« und »Warum sind Sie -«, während der Fotograf einen seiner Apparate hob und zu knipsen begann. Lynley nahm von neuem die Verfolgung des Jungen auf. Jean Cooper schrie: »Jimmy!
Halt! Bleib doch stehen!«
Jimmy warf sich nur um so entschlossener vorwärts. Der Wind blies aus Osten, und als die Manchester Road sich leicht nach Westen krümmte, konnte er den Abstand zwischen sich und seinen Verfolgern mit Leichtigkeit vergrößern. Er rannte aus Leibeskräften, mit fliegenden Füßen und gesenktem Kopf. Er jagte an einem verlassenen Lagerhaus vorüber und näherte sich einem Blumengeschäft, wo eine ältere Frau im grünen Kittel gerade dabei war, Töpfe voller Blumen von der Straße in den Laden zu bringen. Die Frau schrie erschrocken auf, als Jimmy sie im Vorbeilaufen beinahe umgerissen hätte, und prompt kam ein Schäferhund aus dem Laden geschossen. Laut bellend jagte er dem Jungen hinterher und packte ihn am Ärmel seines T-Shirts.
Gott sei Dank, dachte Lynley und bremste ab. In einiger Entfernung hinter sich hörte er Jean Cooper Jimmys Namen rufen. Die Blumenverkäuferin ließ einen Eimer mit Narzissen fallen und schrie laut: »Cäsar! Aus!«, wobei sie am Halsband des Schäferhunds zerrte. Der Hund ließ Jimmy im selben Moment los, als Lynley rief: »Nein! Halten Sie ihn fest!« Und als die Frau sich erschrocken und verwirrt herumdrehte, eine Hand tief im Fell des Schäferhunds, entkam Jimmy.
Lynley trampelte über die Narzissen, als der Junge dreißig Meter vor ihm nach rechts schwenkte. Wieder setzte er über einen Zaun und verschwand auf dem Gelände einer Schule.
Nicht einmal außer Atem, dachte Lynley ungläubig. Den Jungen trieb entweder höchste Angst, oder er war ein geübter Marathonläufer.
Jimmy jagte über den Schulhof; Lynley setzte ihm nach. Am braunen Schulgebäude war ein neuer Flügel im Bau.
Dorthin nahm Jimmy seinen Weg, rannte zwischen Ziegelsteintürmen, Bretterstapeln und Sandhaufen hindurch. Der Unterricht war seit mehr als zwei Stunden zu Ende, es befand sich also niemand auf dem Hof, der ihn hätte aufhalten können, doch als er sich dem letzten Gebäude näherte, hinter dem die Sportplätze waren, trat ein Hausmeister heraus,
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