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07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vorn empor. Die Zügel mit beiden Händen fest anziehend, legte ich die Schenkel noch viel fester an. Es war dem Überschlagen nahe; ich drückte es nach vorn und riß es dabei mit solchem Nachdruck seitwärts, daß es sich einmal um seine eigene Achse drehte. Dann kam es vorn nieder und schlug hinten aus – vergeblich. Es bockte, indem es den Rücken krumm bog und mit allen vieren in die Luft ging; es stand still, um mich zu betrügen, und sprang dann plötzlich mit vollständig steifen Beinen auf die Seite, damit ich auf der andern Seite herabstürzen möge – ebenso vergeblich! Es erging sich in allen den Mucken, die einem sogenannten Bucking-horse andressiert werden – ich blieb fest sitzen.
    „Bravo, bravo, Sir!“ rief der alte Wabble. „Ihr habt einen famosen Sitz, das muß ich sagen. Der Racker macht es Euch schwer, er hat den Teufel im Leib!“
    „Oh, bis jetzt ist das noch nichts“, antwortete ich. „Es kommt noch besser, wartet nur!“
    Da warf sich das Pferd, als ob es meine Worte verstanden habe, nieder und wälzte sich, indem es mit den Beinen arbeitete und um sich schlug. Ich kam – und das ist dabei die Hauptsache, sonst ist man verloren – mit den Füßen auf die Erde zu stehen und sprang, so wie es sich wälzte, bald nach rechts, bald nach links, so daß das Tier stets zwischen meinen ausgespreizten Beinen blieb. Das ist außerordentlich anstrengend; es gehört ein scharfes Auge dazu, man muß wissen, nach welcher Seite sich das Pferd im nächsten Augenblick zu drehen beabsichtigt, und sich dabei in acht nehmen, daß man von den schlagenden Hufen nicht getroffen wird. Noch schärfer muß man erraten, wann es wieder aufspringen will, sonst wird man zur Seite geschleudert und es geht auf und davon.
    Jetzt sprang es auf und nahm mich ganz regelrecht mit in die Höhe, indem ich die Zügel wieder ergriff, die ich während des Wälzens natürlich hatte fahrenlassen.
    „Bravo, bravo!“ rief der Alte. „Thunder-storm, ist das ein Vieh! In dieser eleganten Weise macht es Euch keiner als nur Old Wabble nach!“
    „Es kommt noch schlimmer, Sir!“ antwortete ich. „Erst ermüde ich es hier und dann lasse ich es durchgehen. Steigt auf, um mir schnell nachzukommen!“

Während ich dies sagte, wiederholte das Pferd die schon beschriebenen Versuche, bis es sich zum zweitenmal wälzte und dann wieder aufsprang. Bis jetzt hatte die menschliche Intelligenz mit dem tierischen Willen gekämpft, nun aber sollte es rohe Kraft gegen rohe Kraft gelten, was mir stets gelungen war und mir noch von niemandem hatte nachgemacht werden können. Ich nahm das Pferd also fester in die Zügel, rückte weiter nach vorn und legte die Schenkel mit aller mir zu Gebot stehenden Kraft an. Es stand starr. Ich horchte. Kam der Ton, den ich erwartete, oder kam er nicht? Ja, er kam. Es war ein langes, tiefes, schmerzliches Stöhnen aus eingeengter Brust, das sichere Zeichen, daß der Sieg mein sein werde, wenn meine Kraft nicht ermüdete. Das Tier wollte wieder in die Höhe, vorn, hinten, mit allen vieren; es konnte nicht; ich drückte und preßte womöglich noch stärker als vorher. Nach jeder vergeblichen Anstrengung stöhnte es laut, der Atem ging keuchend. So dauerte es fünf Minuten und noch länger; der Schweiß drang ihm aus allen Poren; es schäumte und warf die weißen Flocken nach allen Seiten.
    „Prächtig, prächtig!“ schrie Old Wabble entzückt. „So etwas habe ich noch nie gesehen!“
    Ja, prächtig! Das konnte er gut sagen. Hätte er nur an meiner Stelle gesessen! Diese Anstrengung! Die Lunge wollte mir platzen; der Schweiß drang auch mir aus allen Poren, aber ich ließ nicht nach. Da wollte das Pferd sich niederwerfen, um sich wieder zu wälzen; es konnte nicht; nun noch ein letzter, langer Schenkeldruck aus allen Leibeskräften – die menschlichen Muskeln und Sehnen siegten; das Pferd brach zusammen.
    „Grandios, grandios!“ brüllte der Alte. „Das hätte ich nicht fertiggebracht. Es ist wahr, Sir, Ihr seid ein viel, viel besserer Reiter als ich.“
    Old Surehand stand still und sagte nichts; aber seine Augen leuchteten.
    „Schön, schön, oh, schön!“ schrie Bob. „Massa Shatterhand das schon oft machen mit fremden und mit wildem Pferd. Masser Bob dabei sein und es sehen!“
    „Ich bin noch lange nicht fertig“, antwortete ich. „Paßt auf, jetzt geht es fort!“
    Ich stand mit breiten Beinen über dem Pferd, mit gebücktem Oberkörper und die Zügel in der Hand. Es erholte sich, stand

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