07 - Old Surehand I
man kann nicht erkennen, ob ein roter oder weißer.“
„Es ist ein roter“, warf ich ein.
„Erkennt Ihr das, Sir? Dann ist Euer Rohr viel besser als dasjenige Winnetous.“
„Ich erkenne es nicht; aber dennoch behaupte ich sogar, daß es ein Comanche ist.“
„Uff!“ rief Winnetou verwundert, der sein Rohr wieder genommen hatte und durch dasselbe blickte.
„Und zwar ein Comanche von Schiba-bigks Schar; vielleicht ist es dieser selbst.“
„Uff, uff! Warum denkt dies mein Bruder?“
„Er ist nicht allein. Mein Bruder Winnetou mag sein Rohr dahin richten, woher dieser Reiter gekommen sein muß, also ein wenig mehr nach links. Dort sind noch mehr Reiter zu sehen und dabei Punkte, welche Fußgänger bedeuten, die von ihren Pferden gestiegen sind.“
„Uff, uff, es ist richtig! Ich sehe größere Punkte; das sind Reiter; und kleinere Punkte, welche sich hin und her bewegen; das sind Männer zu Fuß.“
„Weiß mein roter Bruder, warum diese kleineren Punkte nicht geradeaus gehen, sondern sich immer hin und her bewegen?“
„Nun, da mein Bruder Shatterhand mich darauf aufmerksam gemacht hat, weiß ich es. Es sind die Männer, welche die Pfähle einzustecken haben. Um das tun zu können, sind sie von ihren Pferden gestiegen.“
„Ganz richtig! Ihr wißt, Mr. Surehand, daß es unter diesen Comanchen nur einen gibt, der den Weg kennt?“
„Ja, nämlich Schiba-bigk“, antwortete der Gefragte.
„Er ist also nicht nur der Anführer, sondern überhaupt der Führer. Wo aber pflegt sich so ein Führer aufzuhalten, hinten oder vorn, Sir?“
„Natürlich ist er stets voran.“
„Well! Darum nehme ich an, daß der erste, den wir gesehen haben und der an der Spitze der andern hält, der junge Häuptling Schiba-bigk ist. Er reitet voran und bleibt von Zeit zu Zeit, bis ein Pfahl festgesteckt ist, an der Spitze des Zugs halten. Schau! Winnetou wird durch sein Rohr bemerken, daß die Fußgänger jetzt ihre Pferde wieder besteigen. Es ist ein Pfahl eingesteckt worden, und nun reiten die Indsmen weiter.“
Es war so, wie ich sagte; wir sahen, daß die Comanchen sich von der Stelle, wo sie sich jetzt befunden hatten, im Galopp entfernten. Sie wurden dabei kleiner und immer kleiner, bis wir sie nicht mehr sahen; sie waren genau in der Richtung nach der Oase verschwunden.
„Habt Ihr sie zählen können, Sir?“ fragte mich Old Surehand.
„Nicht genau, aber ich denke, daß ich gestern recht gehabt habe; es werden nicht mehr als fünfzig sein.“
„Was tun wir nun?“
„Wir reiten der Sicherheit wegen noch ein Stück so weiter, wie wir bisher geritten sind; dann wenden wir uns nach Norden, um auf ihre Spur zu kommen. Haben wir diese, so befinden wir uns in ihrem Rücken und folgen ihnen so lange, bis wir eine passende Stelle oder Gelegenheit finden, sie einzuschließen.“
Dies wurde ausgeführt. Wir vereinigten uns mit unserm Trupp, sagten, daß wir die, Gesuchten gesehen hätten, und folgten unsrer bisherigen Richtung noch einige Minuten lang; nachher bogen wir rechts ab und erreichten nach zehn Minuten die Fährte der Comanchen. Diese war eine sehr deutliche und ausgesprochene; ein Blinder hätte sie zwar nicht sehen können, aber fühlen müssen. Sie bestand nicht nur aus den Eindrücken der Pferdehufe und Menschenfüße, sondern außerdem aus einer Menge von Strichen, welche tief im Sand fortliefen. Die zu transportierenden Stangen waren nämlich mit einem Ende an den Sattel befestigt und schleiften mit dem andern Ende hinterher. In dieser Weise pflegen die Indianer auch ihre Zeltstangen von einem Ort zum andern zu schaffen, und dadurch waren hier im tiefen, leichten Sand die Striche und Linien entstanden. Da sie ineinander liefen, waren sie nicht zu zählen, aber es war doch zu sehen, daß eine ganz bedeutende Menge von Pfählen mitgeschleppt wurde.
Wir folgten der Fährte so lange rasch, bis wir die Comanchen durch die Fernrohre erkennen konnten; dann mußten wir, um nicht selbst gesehen zu werden, die Schritte unsrer Pferde mäßigen. Indem wir von da an in stets gleicher Entfernung mit ihnen blieben, war es uns leicht, zu bemerken, wie schnell sie vorwärts kamen und wie lange sie brauchen würden, um in die Nähe der Oase zu kommen. Die Entfernung von einer Stange bis zur andern mochte vielleicht einen Kilometer betragen und wenn die Roten ihre Arbeit in der bisherigen Weise fortsetzten, mußten sie bis zum Abend ihr Ziel beinah erreicht haben. Sehr wahrscheinlich war es die Absicht
Weitere Kostenlose Bücher