07 - Old Surehand I
Schiba-bigks, des Nachts dann über die Bewohner der Oase herzufallen. Daß er schon am Tag auf Bloody-Fox treffen könne, mußte zwar auch in seiner Berechnung liegen, konnte ihn aber nicht irremachen, weil er jedenfalls glaubte, daß es diesem einen Bleichgesicht unmöglich sei, gegen fünfzig rote Krieger aufzukommen.
Während wir der Fährte folgten, ritt ich zwischen Winnetou und Old Surehand; beide waren still. Desto lauter ging es unmittelbar hinter uns her, wo Old Wabble zwischen Parker und Hawley ritt. Dem alten Cowboy war es geradezu unmöglich, in einer solchen Lage ruhig zu sein. Er erging sich in allerlei Berechnungen und Vermutungen, die ihm von den beiden andern widerlegt wurden, doch fiel es ihm gar nicht ein, ihre Widersprüche als begründet gelten zu lassen.
„Und Ihr könnt sagen, was Ihr wollt“, hörte ich ihn sagen, „ich meine, daß wir die Halunken vielleicht gar nicht bekommen, wenn wir es nicht klüger anfangen als bisher.“
„Warum denn, alter Wabble?“ fragte Parker. „Ich denke, die drei da vor uns wissen ganz genau, was sie tun.“
„Meint Ihr? Wirklich? Warum lungern wir da so langsam und ohne zuzugreifen hinter den Roten her?“
„Weil die Gentlemen höchstwahrscheinlich warten wollen, bis es Abend geworden ist.“
„Das ist ja noch viel, viel schöner! Jetzt sehen uns die Indsmen nicht, und am Abend sehen wir sie nicht; da werden wir sie wohl überhaupt niemals zu sehen bekommen!“
„Hört, Mr. Wabble, unsre Anführer sind keine Kinder, sondern Männer, welche genau wissen, was sie zu tun haben!“
„O! Hm! Wenn ich als Anführer da vorn ritt und etwas zu sagen hätte, da wüßte ich etwas Besseres.“
„Was?“
„Ich würde kurzen Prozeß machen.“
„Wieso?“
„Ich würde befehlen, den Pferden die Zügel schießen zu lassen und die Roten einfach über den Haufen zu reiten.“
„Das, alter Wabble, würde wohl das allerdümmste sein, was Ihr anordnen könntet.“
„Unsinn! Warum?“
„Weil die Comanchen uns natürlich kommen hören oder kommen sehen und schnell ausreißen würden.“
„Was schadete das? Wir würden sie natürlich einholen und gefangennehmen.“
„Das ist leicht gesagt. Wenn sie sich auf der Flucht zerstreuten, könnte uns leicht einer von ihnen entgehen. Und das darf nicht sein. Habe ich da nicht recht, Mr. Shatterhand?“
Ich drehte mich zu dem Fragenden und antwortete ihm:
„Ja. Laßt Mr. Cutter reden! Er kennt die Absichten Winnetous nicht, und so ist es ihm nicht übelzunehmen, daß er unser Verhalten für fehlerhaft hält.“
Der Alte sah mich fragend an. Er hätte wohl gern gewußt, was ich meinte, getraute sich aber nicht zu fragen; darum erklärte ich ihm freiwillig:
„Winnetou weiß nämlich, daß ungefähr eine Reitstunde von hier eine Talmulde liegt, durch welche der gerade Weg nach der Oase des Bloody-Fox führt. Sie ist ziemlich lang und ziemlich tief, so daß derjenige, der sich in ihr befindet, nicht sehen kann, was außerhalb auf der höher liegenden Fläche der Wüste vorgeht. Bis in diese Talsenkung wollen wir die Comanchen kommen lassen; nicht weiter.“
Da fiel der Apache ein:
„Mein Bruder will mir einen Ruhm geben, der mir nicht gebührt, denn dieser Plan ist von ihm; er hat schon gestern abend, bevor wir einschliefen, von ihm gesprochen.“
„Nein, du sprachst davon“, entgegnete ich.
„Ich wollte sprechen; du kamst mir aber zuvor.“
„So ist es hier wieder so gewesen, wie stets und immer, daß nämlich mein Bruder Winnetou genau so denkt wie ich.“
„Ja, meine Gedanken sind die deinigen, und deine sind die meinigen, denn wir haben gegenseitig unser Blut getrunken und besitzen nicht zwei Herzen, sondern ein einziges. Was wir beide dachten, das soll geschehen: Wir werden die Comanchen in einer Stunde in dem Tal des Sands gefangennehmen.“
„Ohne daß einer von ihnen vorher sprechen darf?“
Als ich diese Frage aussprach, sah Winnetou mich fragend an, doch nur einen kurzen Augenblick; dann erkundigte er sich:
„Will mein Bruder den jungen Häuptling ausfragen?“
„Ja.“
„Glaubst du, daß er dir sagen wird, was du wissen willst?“
„Ja.“
„Schiba-bigk ist zwar jung, aber dennoch klug. Ich weiß, daß Old Shatterhand seine Fragen und Worte so zu setzen versteht, daß er selbst einen sehr listigen Mann auszuhorchen vermag. Schiba-bigk weiß dies auch und wird schweigen.“
„Er wird sprechen, denn er wird glauben, daß ich nicht als Feind zu ihm komme, sondern ihm ganz
Weitere Kostenlose Bücher