07 - Old Surehand I
saß, beschlichen hattet und aus dem Wasser zurückkamt, brachtet Ihr etwas mit. Ihr nahmt es mit nach unserm Lagerplatz und habt es da in die Büsche versteckt. Was war das?“
„Das Schilf, welches ich mir über den Kopf gesteckt hatte.“
„Oh, habe es mir gedacht! Warum warft Ihr es nicht schon vorher weg?“
„Damit die Roten es nicht finden sollten.“
„So, hm! Gab es einen Grund dazu?“
„Natürlich. Man pflegt doch nichts ohne Grund zu tun.“
„Ja, Ihr. Aber ich habe Leute gekannt, die zu allem, was sie taten, keine Gründe sagen konnten. Solche Menschen soll es auch jetzt noch geben. Was hätte es denn geschadet, wenn das Schilf von den Roten gefunden worden wäre?“
„Sie hätten gemerkt, daß sie belauscht worden sind.“
„Oh? Wegen dieses kleinen Schilfbuschs?“
„Ja. Wer hatte ihn abgeschnitten? Keiner von ihnen. Wo war er abgeschnitten worden? Sie hätten gesucht und die Stelle gewiß gefunden. Von da führte meine Doppelspur nach dem Gebüsch, in welchem ich mit Euch steckte; auch diesen Ort hätten sie entdeckt.“
„Aber zu spät, denn wir waren fort!“
„Hätten aber wahrscheinlich Mr. Surehand noch nicht frei. Wenn das Schilf gefunden wurde, ehe ich auf die Insel kam, so wäre es unmöglich gewesen, ihn von dort wegzuholen, denn man hätte das ganze Lager alarmiert.“
„Richtig! Das kann ich mir denken. Also das war der Grund!“
„Nicht das allein; ich habe dabei nicht nur an Surehand, sondern an die Zukunft gedacht.“
„Wieso?“
„Ihr wißt, daß ich den Häuptling belauscht und was ich da erfahren habe. Was ich hörte, ist von großer Wichtigkeit für uns. Der ganz große Vorteil, den ich daraus zu ziehen beabsichtige, würde aber total verloren gehen, wenn die Roten wüßten, daß ich gehorcht habe.“
„Ihr meint, daß sie dieses aus dem Schilfbusch zu schließen vermögen?“
„Mit Leichtigkeit.“
„Oho! Ich bin ein alter, weißhaariger und erfahrener Kerl, aber wenn ich einer dieser Comanchen wäre und den Busch gefunden hätte, so hätte ich höchstens gedacht, daß ein Fremder dagewesen sei und das Lager beobachtet habe. Ob ein Gespräch von ihm belauscht worden sei, das wüßte ich sehr wahrscheinlich nicht.“
„Gebt Euch doch weniger scharfsinnig, als Ihr seid, Mr. Cutter! Ihr hättet doch gewiß darüber nachgedacht.“
„Natürlich hätte ich das; aber auf welchen Gedanken wäre ich wohl gekommen?“
„Auf den richtigen; ich bin überzeugt davon. Und hättet Ihr gestern abend das Rechte nicht getroffen, so doch heut am hellen Tag, wo man alles deutlich sehen kann, wenn der Verdacht einmal rege geworden ist. Denkt Euch an die Stelle des Indianers. Was mußte er sich fragen?“
„Zunächst, wer der Fremde gewesen ist.“
„Das wissen sie jetzt. Sie wissen genau, daß wir ihr Lager entdeckt und beobachtet haben. Aber haben wir auch gelauscht und etwas erfahren, was gesprochen worden ist? Diese Frage ist die wichtigste für sie. Da finden sie den Busch und den Ort, wo ich ihn abgeschnitten habe; sie sehen, daß ich da in das Wasser gegangen bin. Warum bin ich in das Wasser gestiegen, und wozu habe ich den Busch gebraucht? Um mich zu maskieren. Das sagen sie sich sofort, denn die Anwendung dieser Art von Maskerade ist ihnen nicht nur bekannt, sondern sie sind sogar Meister darin. Mit Schilf maskiere ich mich aber nur dann, wenn ich beabsichtige, mich im Schilf zu verstecken. Ich habe mich also im Schilf des Ufers befunden. Wo? Natürlich in der Nähe des Feuers, welches dem Ufer am nächsten gewesen ist – also dasjenige, an welchem der Häuptling gesessen hat. Sie suchen; das Wasser ist durchsichtig, und so sehen sie die Stelle, wo ich mich gestern tief in den Schlamm eingegraben hatte. Von dieser Stelle war alles, was an dem Feuer gesprochen wurde, leicht zu hören; daraus folgt, daß ich es gehört haben muß. Nun weiter: Zu welcher Zeit bin ich dagewesen; was wurde da gesprochen, und was habe ich also gehört?“
„Das können sie doch unmöglich erfahren!“
„Schwer ist es, aber unmöglich nicht. Ich bin von dieser Stelle aus um den See gegangen, über denselben nach der Insel und von dieser mit Old Surehand wieder zurückgeschwommen. Wieviel Zeit habe ich ungefähr dazu gebraucht? Ihr seht, es ist gar nicht so unmöglich, zu berechnen, wann ich dagewesen bin. Was da gesprochen worden ist, darauf kann sich der Häuptling sehr wahrscheinlich besinnen. Der betreffende Zeitpunkt kann auch noch anders berechnet oder vielmehr
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