07 - Old Surehand I
lassen, wenn du uns die Wahrheit sagst und die Fragen beantwortest, welche ich dir jetzt vorlegen werde.“
‚Langes Messer‘ warf den Kopf stolz empor, sagte aber, scheinbar einverstanden:
„Der Comanche mag sprechen.“
„Sind eure Krieger gegen die Comanchen ausgezogen?“
„Nein.“
„Ist das die Wahrheit?“
„Ja.“
„Ich glaube es nicht.“
„Du kannst es glauben. Oder meinst du, daß es dem starken Löwen einfallen werde, gegen eine kranke Ratte in den Kampf zu ziehen?“
„Uff! Wenn du so fortfährst, uns zu beleidigen, hast du keine Gnade von uns zu erwarten! Wo befinden sich die Mescalero-Apachen jetzt?“
„Daheim in ihren Wohnungen.“
„Wo ist Winnetou, ihr Häuptling?“
„Er ist weit oben im Norden bei den Indianern, die sich Schlangen nennen.“
Er sagte das, um sie glauben zu lassen, daß ihr berühmter Gegner jetzt nicht zu fürchten sei.
„Auch das ist eine Lüge. Winnetou ist da.“
„Nein.“
„Wir haben Old Shatterhand gesehen, und wo dieser ist, da weilt auch Winnetou nicht fern.“
Ich sah, daß ‚Langes Messer‘ einen Ausruf der Freude unterdrückte; er zwang sich sichtlich zur Ruhe und Gelassenheit und sagte im Ton der Überzeugung:
„Der Comanche lügt; er will mich betrügen. Old Shatterhand ist weder auf der Ebene noch in den Bergen, er ist über das ‚Große Wasser‘ in seine Heimat zurückgekehrt und wird erst nach zwei oder drei Wintern wiederkommen. Er hat das selbst gesagt.“
„Ich lüge nicht!“
„Du lügst! Ich glaube dir nicht!“
„Und ich lüge nicht!“ brüllte ihn der Comanche zornig an. „Wir haben ihn gesehen.“
„Wo?“
„In unserm Lager. Er kam, uns zu beschleichen; wir haben ihn aber ergriffen und gefangengenommen, und er wird den Tod am Marterpfahl sterben.“
„Old Shatterhand? Den Tod am Marterpfahl?“ lachte der Apache höhnisch. „Alle, alle Krieger der Comanchen zusammengenommen sind nicht imstande, diesen einen weißen Jäger an den Marterpfahl zu bringen. Selbst wenn sie ihn ergriffen hätten, würde er trotz aller Fesseln plötzlich verschwinden wie der Adler, den zehnmal tausend Sperlinge nicht halten können. Aber er ist gar nicht gefangen; er befindet sich jetzt gar nicht in diesem Land, sondern da, wo er geboren ist.“
Es war jedenfalls seine Absicht, den Comanchen vor Ärger zum Sprechen zu bringen; er erreichte seine Absicht auch wirklich, denn der Gegner rief wütend:
„Wir haben ihn! Die Krieger der Comanchen sind keine Sperlinge, sondern Adler, die diesen Sperling zerreißen oder auffressen werden! Ich sage die Wahrheit; du aber lügst. Wie kannst du behaupten, daß eure Leute daheim seien! Sie befinden sich unterwegs, sonst hätten sie nicht einen Kundschafter ausgesandt!“
„Haben sie das getan?“
„Ja.“
„Wann?“
„Jetzt.“
„Was wißt ihr von einem Kundschafter! Pshaw!“
„Wir wissen es. Du bist's ja selbst!“
„Ich? Wer macht euch weis, daß ‚Langes Messer‘ als Späher ausgeritten sei?“
„Niemand macht es uns weis; es ist so.“
„Dann sind die Söhne der Comanchen blind. Trage ich etwa die Farben des Kriegs im Gesicht?“
„Du hast es aus Klugheit unterlassen, dich anzumalen!“
„Wo wohnen die Comanchen und wo die Mescalero-Apachen? Im Norden und im Süden. Wo befinde ich mich jetzt? Weit im Osten. Würde ich soweit östlich reiten, wenn ich als Kundschafter gen Norden zu euch soll?“
„Ihr werdet erfahren haben, wohin wir ziehen wollen!“
„Uff, uff, uff! Merkst du nicht, daß du dich jetzt verraten hast? Also die Hunde der Comanchen sind aus ihren Höhlen gebrochen, nicht um gegen die Apachen zu ziehen, sondern um nach Osten zu reiten! Jetzt weiß ich, was und wohin ihr wollt!“
Der Comanche sah ein, daß er sich hatte überlisten lassen, und fuhr, zornig über sich selbst, den Gefangenen an:
„Schweig, Kröte! Ich kann das sagen, was ich gesagt habe, denn ich weiß, daß du es nicht weiter plaudern wirst. Wir nehmen dich mit, und du wirst zu gleicher Zeit mit Old Shatterhand am Marterpfahl sterben.“
„Dann werde ich noch sehr lange leben, denn daß ihr dieses berühmte Bleichgesicht gefangen habt, ist eine Lüge.“
„Es ist wahr. Wir haben ihn!“
„Pshaw!“
„Und wir haben ihn nicht allein, sondern noch mehrere Bleichgesichter, die auch sterben müssen.“
„Nenne sie!“
„Old Wabble, den greisen Indianertöter.“
„Uff!“
„Ferner Old Surehand, das riesige Bleichgesicht.“
„Uff, uff! Weiter!“
„Weiter?
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