070 - Neues vom Hexer
nächsten Zeit auftreten wird?«
»Sie liegen alle in der Nähe von Eisenbahnstationen«, entgegnete Mr. Mander, der schon fürchtete, daß Bliss seine Theorie sofort in Grund und Boden verdammen würde.
»Jeder Ort liegt in England in der Nähe einer Eisenbahnstation«, sagte sein Vorgesetzter kühl.
Er warf einen Blick auf die Karte und mußte wider Willen lächeln, als er sah, daß ein Dorf in der Nähe von Oxford durch ein besonders großes rotes Kreuz markiert war.
Mr. Mander strahlte, denn nun konnte er seine Theorie erklären.
»Sie haben in der letzten Zeit drei Briefe von ihm erhalten«, erwiderte er und warf sich in die Brust, als ob er eine große Entdeckung gemacht habe. »Einer war in Paddington aufgegeben, einer in Reading und einer in Cheltenham. Ich habe die Poststempel genau untersucht und sie mit dem Kursbuch verglichen. Und das hat mich zu der Schlußfolgerung gebracht, daß dieser Mann irgendwo in der Nähe von Oxford sein Hauptquartier aufgeschlagen hat.«
Bliss sah auf die Daten, die Mander auf ein Blatt Papier geschrieben hatte. Es stimmte allerdings, daß er in letzter Zeit drei Briefe von Milton erhalten hatte. Sie waren alle mit der nicht zu verkennenden Maschine geschrieben.
Da alle Schriftstücke, die sich auf den Hexer bezogen, auf dem Dienstweg automatisch zur Kenntnis von Inspektor Mander kamen, hatte er auch diese Briefe gesehen und mehr nach den äußeren Merkmalen als nach dem Inhalt seine große Theorie entwickelt.
Bliss schob den Zettel mit den Notizen zurück und schüttelte den Kopf.
»Ich ersehe daraus nur, daß Sie kolossal viel Zeit und Mühe aufwenden, wenn Sie auf einer falschen Spur sind«, sagte er verächtlich.
Aber Mr. Mander ließ sich nicht im mindesten beirren.
Scotland Yard war im Augenblicke weniger an den Taten des Hexers interessiert als an einer Bande, die es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, Kreditbriefe in großem Maßstab zu fälschen.
Meisterverbrecher existieren gewöhnlich nur in der Phantasie von Romanschriftstellern, aber irgendwo in England saß doch ein sehr schlauer Mann, der sich mit Hilfe einer kleinen Druckerei auf unrechtmäßige Weise viel Geld zu schaffen wußte.
Seit achtzehn Monaten kamen aus allen möglichen Gegenden der Welt Beschwerden und Anzeigen zu Scotland Yard. Zweimal hatte man Agenten dieses unbekannten Mr. X festgenommen, aber die Polizei war nicht in der Lage, den eigentlichen Führer der Bande selbst zu entdecken. Man hatte nur herausbekommen, daß er seine Haupttätigkeit in England entfaltete und eine Art Chefagenten in Paris unterhielt.
Bliss dachte an diesen Mr. X, als er mit seinem schnellen Wagen die Great West Road entlangfuhr. In der letzten Woche hatte er eine Nachricht bekommen, daß er durch eine gewisse Elizabeth Hineshaft möglicherweise auf die Spur des Fälschers kommen werde. Aber als man diese Frau verhaftete und im Holloway-Gefängnis verhörte, machte sie keine Aussagen. Unglücklicherweise war sie bei ihrer Verhaftung gerade im Besitz einer großen Menge Rauschgift. Auch ergab die nähere Untersuchung, daß sie einen bedeutenden Abnehmerkreis dafür hatte.
Obgleich sie noch ziemlich jung war, hatte sie doch schon mehrfach gegen das Gesetz über unerlaubten Handel mit Rauschgiften verstoßen. Siebenmal war sie deshalb angezeigt und fünfmal verurteilt worden. Unter solchen Umständen war eine neuerliche Verurteilung unvermeidlich. Sie bekam eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren, und als das Urteil verkündet wurde, brach ein Herr auf der Galerie in Tränen aus.
»Stellen Sie die Personalien des Mannes fest,« sagte Bliss, als ihm davon berichtet wurde.
Aber die Nachforschungen blieben ohne Erfolg. Durch Gerüchte aus der Unterwelt Londons erfuhr er, daß Elizabeth einen freigebigen Verehrer hatte. Sie lebte auf so großem Fuß, daß sie über ein bedeutendes Einkommen verfügen mußte. Ihr Schmuck hatte einen Wert von vielen tausend Pfund, und ihre Wohnung war mit jedem Luxus und Komfort eingerichtet, den man sich nur denken konnte.
Es war daher erstaunlich, daß sie mit Rauschgift handelte.
Bliss dachte noch über diese merkwürdigen Inkonsequenzen nach, als er seinen Wagen vor einer kleinen Garage in der Umgebung von Colnbrook zum Stehen brachte. Er hielt auf seinen Weekendfahrten jedesmal hier, um zu tanken. Der Inhaber kannte ihn und kam mit einem Brief in der Hand aus dem Haus.
»Er wurde vor einer Stunde für Sie abgegeben«, sagte er.
»Für mich?« fragte Bliss erstaunt. »Wer hat
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