0704 - Der Pestbringer
eine Wiese hinweg, auf der Obstgärten standen und sah weit dahinter die dunklen Hänge der Berge, die - aus der Distanz gesehen - breiten Matten glichen, auf denen Schafe weideten und der lichte Wald sie nicht störte, weil er erst weiter oben begann, dicht unter den grauen, mächtigen Graten der felsigen Bergspitzen.
Es war ein schönes, ein wildes, ein romantisches Land, und Beth liebte es.
Nun nicht mehr.
Nie hätte sie sich vorstellen können, aus Farthham wegzugehen, nun dachte sie anders darüber. Hätte der Fremde sie gefragt, sie wäre mit ihm gegangen, denn sie hatte sehr deutlich gespürt, daß sie ihm nicht unsympathisch war.
Doch er war weg, er würde nie wieder zurückkehren. Vielleicht war er auch tot, denn wen die Krankheit einmal erwischt hatte, den ließ sie nicht mehr los. Bis zum bitteren Ende.
Wie der Tod dann genau aussah, das wußte sie nicht. Beth wollte es auch nicht wissen. Es war schon schlimm genug, daß sie sich gedanklich mit derartigen Tatsachen auseinandersetzen mußte.
Wer konnte helfen?
Während sie über diese Frage und auch über die Antwort nachgrübelte, schaute sie einem Radfahrer zu, der jenseits der Wiese über einen Feldweg fuhr und zu seinen Schafen unterwegs war. Auch ihn konnte es erwischen.
Möglicherweise würde er nach der folgenden Nacht nie mehr so aussehen wie heute!
Sie hatte plötzlich Hunger bekommen, nahm einen Apfel und aß ihn langsam. Dabei schaute sie gegen die Berge, sah den Himmel, einen Teil des hellen Sonnenballs und fragte sich, ob es niemand geben würde, der Farthham von diesem schrecklichen Fluch befreien konnte.
Beth gehörte zu den Menschen, die ihre verhältnismäßige Einsamkeit genutzt und viel gelesen hatten. Eigentlich alles, was ihr so in die Finger gefallen war.
Unter den Büchern hatte sich auch eine Literatur befunden, die sich mit Grenzgebieten beschäftigte.
Sie hatte einiges über Religionen gelesen und deren Ursprünge.
Auch über Mystiker und Propheten, und mehr als einmal war sie über den Begriff des Exorzismus gestolpert.
Dieser Gedanke hatte sie in den letzten Stunden einfach nicht losgelassen. Immer wieder beschäftigte sie sich damit und brachte ihn in Zusammenhang mit der Pest.
Zunächst hatte sie sich erschreckt, als sie über den Begriff nachdachte. Jetzt ging sie damit verhältnismäßig locker um. Die Kränken waren von der Pest befallen worden, aber Beth wollte nicht akzeptieren, daß es die normale Pest gewesen war. Diese Krankheit mußte die Menschen aus einem anderen Grund erwischt haben, und sie war nahe daran, sie mit dem Teufel oder mit irgendeiner Form von Magie in Verbindung zu bringen. So und nicht anders mußte es ihrer Meinung nach gewesen sein, denn auch in den Büchern über Religions-Mystik hatte einiges darüber gestanden. Sie verglich dieses Gebiet eher mit den Sagen und Legenden, die man sich auch im Ort erzählte, denn hier in Schottland lebten die alten Geschichten weiter, und nicht wenige Menschen glaubten auch daran. Sie waren überzeugt, daß die Dinge, von denen in den Legenden erzählt wurde, auch existierten.
Selbst Farthham besaß eine Sage.
Immer öfter hatte sie daran gedacht. An den Unheimlichen, der hier vor langer, langer Zeit einmal gewesen war und etwas Besonderes getragen hatte.
Es war ein Handschuh!
Angeblich war der Fremde Alchimist gewesen, ein Mystiker und Zauberer mit dem Namen Ampitius. Er hatte in dieser Gegend gelehrt und oft über die geheimen Kräfte des Teufels gesprochen und die der Hölle. Und er hatte diesen Handschuh besessen, dem ebenfalls magische Kräfte zugeschrieben wurden.
Zudem war der Fremde als Knappe aufgetreten. Er hatte sich als der Knappe der Hölle ausgegeben, so jedenfalls stand es in der Überlieferung, und so war seine Geschichte von Generation zu Generation weitergegeben worden.
Jeder im Dorf kannte sie. Sie wurden den Kindern erzählt, die sich fürchteten, wenn der Name des Knappen ausgesprochen wurde, aber auch die Erwachsenen bekamen einen Schauer.
Sollte an der Geschichte tatsächlich etwas Wahres daran sein? Trug dieser seltsame Knappe die Schuld an der magischen Pest? Es gab für die junge Beth keine andere Erklärung, auch wenn sie diese nicht vollständig akzeptieren wollte.
Sie hörte das Klopfen an der Eingangstür. Es war nicht laut, trotzdem schreckte Beth zusammen, da sie einfach zu stark mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt gewesen war.
Besuch um diese Zeit?
Das konnte eigentlich nur ihre Großmutter sein, die hin
Weitere Kostenlose Bücher