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0704 - Der Pestbringer

0704 - Der Pestbringer

Titel: 0704 - Der Pestbringer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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und wieder bei ihrer Enkelin vorbeischaute.
    Sie und Beth verstanden sich ausgezeichnet. Von ihrer Großmutter hatte sie so manche Lebensweisheit mit auf den Weg bekommen.
    Sie passierte die beiden Drehscheiben, die Regale mit den Waren, erreichte den schmalen Flur und stand sehr bald schon vor der Haustür, die sie aufzerren mußte.
    Es war die Großmutter.
    Beths Augen leuchteten. »Du bist es, Grandma. Bitte, komm rein.«
    »Guten Morgen, mein Kind.« Die alte Dame lächelte. Sie war beinahe Achtzig, aber das sah man ihr nicht an. Noch immer ging sie hoch aufgerichtet, das weiße Haar lag auf ihrem Kopf wie eine Welle, und ihr Gesicht zeigte kaum Falten. Sie hatte noch immer dieselben braunen Augen wie auch die zwanzigjährige Beth und ebenfalls den weichen Schwung des Mundes. In der Werkstatt schaute sie sich um, nahm dann auf einem alten Schaukelstuhl Platz und bat ihre Enkelin, sich ebenfalls zu setzen.
    Beth entschied sich für einen Hocker. Obwohl ohne Lehne, gehörte er zu ihren Lieblingsplätzen.
    »Es freut mich, daß du…«
    »Ich weiß, Kind, ich weiß.« Sie hob den Zeigefinger, ohne deshalb oberlehrerhaft zu wirken. »Und heute habe ich einen besonderen Grund, zu dir zu kommen.«
    »Ja - welchen?« Beth wußte, daß die Großmutter es immer spannend machte. Jedesmal hatte sie etwas Neues zu berichten.
    »Der Grund bist du, Beth!«
    Das junge Mädchen riß erstaunt seine Augen auf. »Ich?« Beth lachte. »Hast du dich nicht geirrt?«
    »Nein, mein Kind.«
    »Das ist ein Kompliment.«
    Die alte Frau lächelte. »Es kommt darauf an, Mädchen, es kommt darauf an…« Ihre Stimme versickerte, was Beth etwas mißtrauisch werden ließ, denn ihre Großmutter gefiel ihr plötzlich nicht mehr. Nicht sie selbst, sondern ihr Zustand.
    »Was ist der tatsächliche Grund, Grandma?«
    Die alte Frau lächelte. »Du bist eine gute Beobachterin, mein Kind, eine sehr gute. Ich glaube, das hast du von mir geerbt. Ich bin in der Tat nicht nur gekommen, um dir einen guten Tag zu wünschen, auch wenn das allein schon Grund genug gewesen wäre, nur um dich zu sehen, mein Kind. Zudem weißt du, wie ich dich liebe. Und weil ich dich liebe und du mir so ans Herz gewachsen bist, mache ich mir Sorgen um dich. Du hast dich verändert, Beth, du bist nicht mehr so wie früher, und ich möchte dich fragen, ob die unerklärlichen und schlimmen Dinge daran die Schuld tragen, die hier im Ort geschehen sind?«
    Beth Morgan gab zunächst keine Antwort. Etwas steif saß sie auf ihrem Hocker. Beide Hände auf die Oberschenkel gelegt. Sie wußte sehr gut, daß sie sich vor ihrer Großmutter nicht verstellen konnte. Die alte Dame kannte sie besser als irgend jemand anderer. Sie hatte die Enkelin schließlich mit großgezogen.
    »Stimmt es?«
    Beth nickte.
    »Ich wußte es, mein Kind. Ich bin alt, aber ich habe Augen im Kopf. Du trauerst um den jungen Mann, der in den Ort kam und in den du dich verliebt hast.«
    Sie lächelte schmerzlich.
    »Er ist weg«, fuhr die alte Dame fort. »Und er ist bestimmt nicht gegangen, weil du ihn nicht erhört hast.« Sie drückte sich manchmal etwas umständlich aus. »Ich sah, wie er dich anschaute, und diese Blicke sind all die Jahre über gleichgeblieben. Auch mein Mann hat mich damals so angesehen, als er verliebt war. Aber jetzt ist der junge Mann fort, verschwunden bei Nacht und Nebel. Einfach weggelaufen, ohne dir auf Wiedersehen zu sagen.«
    »Ja, Grandma…« Mehr bekam Beth nicht heraus. Auf einmal stürzte alles über ihr zusammen. Die Decke bewegte sich ebenso wie die Wände. Ein Kreisel entstand, in dem sie sich selbst als Mittelpunkt sah. Ihre gesamte Werkstatt schien auf einem großen Floß zu schwimmen, das sich auf den Wellen bewegte, und sie hatte Mühe, überhaupt auf dem Hocker sitzen zu bleiben.
    Dann kamen die Tränen. Sie mußten einfach hinaus. Alles, was sich bei ihr angestaut hatte, wollte sich nun freie Bahn verschaffen. Erleichterung, einfach nur weg, einfach nichts mehr von der fürchterlichen Gegenwart mitbekommen…
    Die alte Frau ließ ihre Enkelin weinen. Irgendwann stand sie auf und trat an Beth heran. Mit der Hand strich sie über das braune Haar des jungen Mädchens, das seinen Kopf drehte und die Wange gegen den Körper der Großmutter preßte.
    Die alte Frau wußte, daß es besser war, wenn sie Beth weinen ließ. Manchmal konnten Tränen erlösend wirken, und das war bei Beth Morgan der Fall. Irgendwann hob sie den Kopf. Ihre Augen waren gerötet, das Gesicht verquollen,

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