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071 - Gefangen in den Bleikammern

071 - Gefangen in den Bleikammern

Titel: 071 - Gefangen in den Bleikammern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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ausgemergelter nackter Mann taumelte in die Folterkammer. Er sah entsetzlich aus. Sein Körper war mit Brandwunden bedeckt, das Haar hatte man ihm abgesengt. Er fiel auf die Knie.
    „Gnade!" wimmerte er. „Ich habe alles gestanden. Ich kann nicht mehr. Ich will sterben. Bitte, erlöst mich von meinen Qualen!"
    Der Richter hörte nicht auf die Worte des Unglücklichen. Er griff nach dem Fläschchen und blieb vor dem Gefangenen stehen.
    „Trink einen Schluck!"
    Er hielt dem Gefangenen das Fläschchen an die Lippen, und dieser trank gehorsam. Der Richter setzte sich. Alle, mit Ausnahme Selvas, starrten den Todeskandidaten an.
    Zwei Minuten lang geschah nichts, dann fing der Gefangene zu stöhnen an. Sein Blick wurde fiebrig.
    „Ich verbrenne!" brüllte er. „Wasser! Ich verbrenne!"
    Der Richter sah ihn teilnahmslos an und wandte den Kopf ab. Der Gefangene schrie immer lauter. Nach einigen Sekunden war es still. Ich blickte zu ihm. Er lag auf dem Bauch. Sein toter Körper war verkrampft.
    „Das ist der endgültige Beweis", sagte der Richter. „Die Flüssigkeit ist ein rasch wirkendes Gift. Du wolltest dich und Michele da Mosto damit vergiften. Gestehe es, verdammte Hexe!"
    Doch Selva sagte nichts.
    Der Richter stand wieder auf. Vor Selva blieb er stehen.
    „Trinke!" schrie er sie an und hielt ihr das Fläschchen hin.
    Selva wandte den Kopf ab.
    Ich wunderte mich, weshalb sie nicht trank. Das Gift hätte sie von ihren Leiden erlöst. Für mich stand nun endgültig fest, daß Selva eine Hexe war. Sie hatte das Gift gewollt, damit sie mich vergiften konnte. Eine andere Erklärung fand ich nicht für ihr Verhalten. Wäre es ihr nur um die Verkürzung ihrer Leiden gegangen, dann hätte sie jetzt trinken können.
    Mein Vater stand auf. Ich folgte ihm und warf Selva noch einen letzten Blick zu. Alle Gefühle für sie waren gestorben; ich konnte sie nicht einmal hassen.
    „Weshalb wolltest du mich töten?" fragte ich sie.
    „Ich wollte dich nicht töten", antwortete sie. „Du mußt mir glauben."
    Ich lachte, drehte mich um und ging zur Tür.
    „Du mußt mir glauben, Michele!" rief sie mir nach. „Ich wollte dich nur schützen. Ich wollte..." Mehr hörte ich nicht. Die schwere Tür schloß sich hinter uns.
    „Glaubst du jetzt, daß sie eine Hexe ist, mein Sohn?"
    „Ja", sagte ich gepreßt. „Sie ist eine Hexe."
    „Wir fahren nach Torcello", flüsterte mein Vater „Ich habe Angst, daß dich der Untersuchungsrichter auch anklagen wird. Außerdem ist es besser, wenn du möglichst weit von Selva entfernt bist." Mir war alles recht. Ich wollte nur möglichst rasch aus dem Gefängnis fort. Und vor allem wollte ich Selva vergessen. Ich war sicher, daß ich sie nie mehr sehen würde.

    Das Leben auf Torcello war eintönig. Ein Tag verlief wie der andere. Ich schlief viel, aß wenig und fühlte mich nach einigen Tagen etwas besser. Oft hielt ich mich im Freien auf. Die frische Luft tat mir gut.
    Angela blieb verschwunden. Ich war sicher, daß sie tot war. Die ersten Tage hatte ich Angst gehabt. Ich fürchtete, daß wieder das wolfsähnliche Biest auftauchen würde, doch nichts Ungewöhnliches geschah. Vor den Negersklaven verlor ich auch meine Furcht.
    An Selva dachte ich nur noch selten; ich hatte sie aus dem Gedächtnis gestrichen.
    Jacopo bereitete sich für eine neue Kaperfahrt vor. Ich sah ihn nicht viel. Mein Vater besuchte mich zweimal, sprach aber nur belangloses Zeug und freute sich, daß es mir besser ging. Er brachte mir Bücher mit. Lesen war mein einziges Vergnügen.
    Ich war froh, wenn Jacopo da war, doch er kümmerte sich kaum um mich. Meist war er abweisend. Er war verändert. Manchmal starrte er mich äußerst seltsam an. Dabei veränderte sich sein Gesicht; es wurde abstoßend häßlich.
    Unwillkürlich dachte ich an Selvas Warnung, daß ich mich vor Jacopo hüten sollte.
    „Wann fährst du los?" fragte ich, als wir einmal zusammen zu Abend aßen.
    „Ich weiß es noch nicht", sagte er abweisend, dabei grinste er. „Ich habe noch etwas zu erledigen. Sobald das geschehen ist, steche ich in See."
    „Was hast du zu erledigen?"
    „Ich werde es dir heute noch sagen", flüsterte er, und seine Augen glühten. „Bald ist es soweit." Mein Bruder war mir unheimlich geworden. Er schob den Teller zur Seite und verließ grußlos das Zimmer.
    Ich wartete einen Augenblick, dann trat ich ans Fenster und blickte hinaus. Jacopo ging zum halb zerfallenen Stall, in dem die Negersklaven abends eingesperrt wurden. Er

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