0710 - Der Freund des Satans
gegen dessen Innenseite, wo sich auch jetzt nichts verändert hatte, der Spiegel mit seiner trüben Oberfläche war nach wie vor vorhanden. Das Knarren des alten Holzes hatte sich gelegt, als der Truhendeckel senkrecht stand.
Dafür hörte ich die Schritte, die sich auf die Truhe zubewegten. Ich trat zur Seite und machte Suko Platz.
Er schaute mich nicht mehr an, sah nur die Truhe, seufzte noch einmal, und dieses Geräusch ging mir unter die Haut, denn es zeigte mir, wie schwer er sich tat.
Dann ging alles sehr schnell.
Mit zielsicheren Bewegungen stieg Suko in die Truhe, um sich dort auf den Rücken zu legen…
***
Shao hielt den Atem an!
Dabei schimpfte sie sich innerlich selbst aus und schalt sich eine Närrin, denn sie war sich einfach nicht sicher gewesen. Mit Hilfe der Sonnengöttin Amaterasu war es ihr ein Leichtes, Entfernungen zu überbrücken. Sie schaffte es auch, Dimensionsgrenzen zu sprengen, was hier nicht nötig gewesen war.
Zielsicher hatte sie den Garten gefunden, der sehr dicht bewachsen war, auf einer kleinen Fläche viel Landschaft zeigte, denn darin waren die chinesischen Landschaftsgärtner wahre Meister.
Es gab auch genug Deckung für Shao, nur hatte sie diese nicht richtig genutzt, sondern war zwar vorsichtig gewesen, aber dennoch zielstrebig auf das große Fenster zugelaufen, dessen getönte Scheibe es so schwer machte, einen Blick hineinzuwerfen. Dennoch hatte sie im Innern des Raumes die Bewegung erkennen können. Die Einrichtung hatte ihr überhaupt nicht gefallen. Wer innen stand, konnte besser nach außen schauen als umgekehrt, deshalb mußte Shao davon ausgehen, daß man sie entdeckt hatte.
Sehr schnell wechselte sie ihren Standort. In der Nähe fand sie die künstlichen Stufen, die eine Treppe bildeten. Über sie gelangte sie in die künstliche Felsenlandschaft. Jetzt war sie durch die Blicke vom Haus her gedeckt.
Der Weg blieb nicht so breit. Die Stufen verengten sich. Vor einer kleinen Plattform hörten sie auf.
Hier blieb Shao stehen und schaute sich um. Sie wunderte sich, daß sie noch keinen Menschen im Garten gesehen hatte. Ein Mann wie Li Choung verließ sich nicht auf sich selbst, der hatte zahlreiche Aufpasser und Wächter, die ihm zur Seite standen. Aber wo steckten diese Männer? Sie hatten sich bestimmt nicht im Boden eingegraben, und hinter den exotischen Hecken und Sträuchern hockte auch niemand.
Hoch- und bogenförmig wachsende, dünne Zweige streiften Shaos Gesicht, als sie weiterging. Sie hielt sich nicht aufrecht, ging geduckt. Ihre Bewegungen waren geschmeidig. Wenn sie die Füße aufsetzte, war kaum ein Geräusch zu hören.
Sie befand sich jetzt in Höhe der oberen Etage. Als sie zufällig den Kopf nach rechts drehte, sah sie zwischen den Zweigen ein helles Blinken, als würde sie von dort von einem Auge aus unter Kontrolle gehalten.
Shao wußte sofort Bescheid.
Es war das Auge einer Videokamera.
Sie konnte nicht sagen, ob sie bereits von ihm erfaßt und entdeckt worden war. Sicherlich hockten irgendwo im Haus Männer vor irgendwelchen Monitoren und hielten den Garten unter Kontrolle.
Shao ging trotzdem weiter.
Noch tiefer geduckt und mit einem sehr angespannten Gesicht. Stille umgab sie, und nicht weit von einem Fenster entfernt blieb sie stehen. Es war klar, daß sie hier oben keine Eingangstür entdecken würde. Wenn sie ins Haus wollte, dann durch eines der Fenster.
Sie dachte an Alarmanlagen, die sicherlich schrillen würden. Sollte sie dieses Risiko in Kauf nehmen?
Dann hörte sie ein Geräusch.
Sofort huschte sie in Deckung. Der Laut war über ihr aufgeklungen, sie schaute in die Höhe und sah das schräge Dachfenster, das nach oben geschoben wurde.
Dort erschien eine Gestalt.
Es war ein Chinese. Er trug einen dunklen Anzug, war mit einer Maschinenpistole bewaffnet und kletterte auf das Dach.
Shao wunderte sich. Weshalb reagierte der Aufpasser so? Und sie fragte sich auch, ob er der einzige Wächter war, der sie entdeckt hatte? Gab es tatsächlich keine anderen?
Sie ließ den Mann nicht aus den Augen. Mit kleinen Trippelschritten lief er über das Dach auf dessen Rand zu, wo er für einen Moment stehenblieb.
Wenn er wollte, konnte er den oberen Teil des Gartens mit einem Sprung erreichen.
Noch stand er am Rand.
Shao wartete ab. Daß dieses Dachfenster aufgeklappt war, gefiel ihr gut.
Einen besseren Einstieg hätte sie sich nicht vorstellen können. Obwohl sie jetzt einen Aufpasser zu Gesicht bekommen hatte, kam ihr die gesamte
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