0710 - Der Freund des Satans
rechte wollte sie freihaben, um die Tür zu öffnen.
Mit einem Tritt schleuderte sie die Tür nach innen. Blieb selbst vor der Schwelle stehen und wartete auf eine Reaktion.
Die erfolgte nicht.
Shao wartete noch weitere Sekunden, überwand sich dann und huschte geduckt in das große Arbeitszimmer, blieb nicht stehen, bewegte sich und drehte sich dabei um.
Schattenhaft huschten die Einrichtungsgegenstände an ihren Augen vorbei.
Alles war normal, bis auf den Toten, der quer über dem Schreibtisch lag.
Obwohl Shao nur seinen Rücken sah und Li Choung nicht persönlich kannte, wußte sie sofort, um wen es sich bei diesem Mann handelte. Es war ein greisenhafter Mensch, das sah sie auch so.
Und er war tot!
Sie packte es nicht. Da paßten einige Dinge nicht zusammen. Wieso war der Mann im Hintergrund nicht mehr am Leben? Er war es doch gewesen, der die Fäden gezogen hatte. Was war hier vorgefallen? Was stimmte denn nicht, zum Henker?
Sie fühlte sich mehr als unwohl. Obwohl ihr ein Toter nichts mehr tun konnte, hatte sie dennoch das Gefühl, mit ihm nicht allein im Raum zu sein. Sie kam sich beobachtet vor und glaubte auch, so etwas wie ein leises Atmen zu hören.
Der Raum war ziemlich groß, besaß zwar ein gewaltiges Fenster, durch dessen Scheibe jedoch kein Sonnenlicht flutete, denn der Garten dahinter wirkte eher wie eine dunkelgrüne Insel, die nur wenig Licht durchließ.
Deshalb war es im Arbeitszimmer auch relativ finster.
Teppiche lagen auf dem Boden.
Einer davon zeigte in seiner Mitte einen langen Riß, als hätte ihn jemand mit einem Messer hineingezogen.
Oder mit einem Schwert…
Ohne den Beweis dafür zu haben, wußte Shao plötzlich, daß sie dicht vor dem Ziel stand, das Seelenschwert zu entdecken. Sie glaubte fest daran, daß es sich im Besitz einer falschen Person befand, und dafür sprach auch das Vorhandensein der Leiche.
Aber wer hatte den alten Chinesen getötet? Wer besaß die Unverfrorenheit, diesen mächtigen Triadenboß auf die lange Reise zu schicken?
Sie konnte es nicht sagen, es fehlten ihr die Informationen, aber der Eindruck, nicht allein hier zu sein, festigte sich immer mehr.
Shao hatte sich nicht getäuscht.
Aus einer ziemlich dunklen Ecke des großen Raumes vernahm sie ein Geräusch.
Es war ein zischendes Atmen, als hätte jemand zu lange die Luft angehalten, der sich jetzt wieder normal bewegen konnte.
Er kam vor.
Ein Mann.
Shao tat nichts. Sie beobachtete nur. Allein an der Haltung des Fremden erkannte sie, daß er sich sehr sicher fühlte. Er trug eine Waffe, genau den Gegenstand, den Shao unbedingt in ihren Besitz bringen wollte.
Es war das Seelenschwert!
Sie zuckte nicht einmal mit den Augenwimpern, sondern schaute durch die Schlitze ihrer Maske dem jungen Mann entgegen, der einen verdammt sicheren Eindruck machte.
Er hielt das Schwert mit beiden Händen fest, um so eine noch größere Sicherheit zu erlangen. Shao sah auch, daß es eine besondere Waffe war. Im Gegensatz zu den üblichen Klingen besaß diese einen dunklen, beinahe schon schwarzen Glanz, und sie wirkte wie ein geheimnisvoller langer Spiegel. Irgendwo hatte sie den Eindruck, als würde diese Waffe nicht zu diesem Träger passen, aber sie hütete sich, dies auch deutlich zu machen. Er wollte etwas von ihr und würde ihr dies schon bekanntgeben.
Der Mann blieb stehen.
Shao sprach nicht.
Der andere auch nicht.
Dann nickte Shao. »Gut«, sagte sie, »wir stehen uns hier gegenüber. Ich möchte wissen, wer du bist.«
»Dein Mörder…«
***
Ich hatte die Hände zu Fäusten geballt und spürte, wie meine Fingernägel gegen das Fleisch der Handballen stachen. Ich stand unter Strom, und mein Blick galt einzig und allein Suko, der sich in den Sarg gelegt hatte und darauf wartete, daß sich etwas tat.
Er wurde ebenso enttäuscht wie wir.
Nichts passiert!
Suko, das Kind, konnte völlig normal in seinem Sarg liegenbleiben, ohne daß ihn eine gefährliche Magie überfiel.
Als sich auch nach ungefähr zehn Sekunden noch nichts verändert hatte, drehte ich den Kopf, weil ich die Schritte meines Chefs gehört hatte.
Sir James hob die Schultern. Er kam mir vor wie ein künstlicher Mensch, denn so ähnlich bewegte er sich. Nicht daß er völlig von der Rolle gewesen wäre, aber er machte auf mich einen sehr hilflosen Eindruck, und so fühlte ich mich auch.
Schweigend stellte er sich neben mich und schaute in das offene Unterteil des Sargs, in dem Suko auf dem Rücken lag und die Haltung eines Toten
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