0710 - Der Freund des Satans
eingenommen hatte, weil seine Hände über der Brust verschränkt waren.
»Nichts?« fragte er.
Ich nickte.
»Wollen Sie mit ihm sprechen?«
Ich schaute auf die Hände und den dazwischen geklemmten Stab. Dann wechselte mein Blick auf den Spiegel. Dabei ging ich in die Knie, um in der Fläche mein Gesicht zu sehen.
Es war nicht möglich.
Der Spiegel war einfach zu trübe, als hätte man ihn mit einem dünnen Seifenfilm beschmiert.
War er das Tor zu einer anderen Dimension? Sollte ich den Versuch wagen?
Ich dachte daran, daß ich die kindliche Gestalt meines Freundes dort zum erstenmal gesehen hatte, nachdem Suko von dem Seelenschwert getroffen worden war. Seine zweite, seine gefährliche Gestalt hatte ich dann vernichten können, aber wie konnte ich es schaffen, Suko die normale Größe wieder zurückzugeben?
Ich schwitzte plötzlich, als ich daran dachte, daß dies vielleicht nicht mehr möglich sein würde. Daß es keine Chance gab, daß Suko für den Rest seines Lebens so herumlaufen würde…
Dieser Gedanke trieb mir das Blut in den Kopf und den Schweiß auf das Gesicht.
»Was haben Sie, John?« Sir James hatte bemerkt, daß mit mir etwas nicht stimmte.
»Nichts, Sir. Oder doch.« Ich nickte. »Ich dachte daran, was möglicherweise geschehen könnte.«
»Dann haben Sie wahrscheinlich denselben Gedanken verfolgt wie ich, John.«
»Sie dachten an Sukos Schicksal?«
»Ja.«
Er stieß die Luft aus. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß etwas Derartiges geschehen könnte. Es ist einfach für mich unbegreiflich. Es will mir nicht in den Kopf.«
»Ausschließen kann man es nicht.«
»Wissen Sie denn keine Lösung, John?«
»Nein!« stieß ich hervor. »Für mich gibt es keine Chance, auf die ich bauen könnte.«
Sir James seufzte. Er wischte mit einem Tuch über die Stirn. »Und ihr Kreuz?« fragte er dann.
Damit hatte er mir ein Stichwort gegeben. »Daran habe ich auch gedacht, Sir, aber ich traue mich einfach nicht, es einzusetzen. Es ist so etwas wie eine Zentrale der Weißen Magie. Vor uns aber steht eine Truhe, die der Satan gesegnet hat. Wenn ich das Kreuz einsetze, könnte es passieren, daß ich alles damit zerstöre, Suko eingeschlossen. Das will ich nicht riskieren.«
»Dann holen wir ihn vorher raus.«
»Das wäre zwar eine Möglichkeit, aber ihm könnte dann auch der Rückweg versperrt sein.«
Sir James nickte und dachte über meine Worte nach. »Sie gehen also davon aus, daß es nur diese eine Chance für Suko gibt - oder?«
»Zumindest sehe ich keine andere.«
Sir James senkte den Kopf und sagte einen Satz, der mich bei ihm überraschte. »Dann sind wir geschlagen, John. Dann hat es keinen Sinn mehr, etwas zu unternehmen.«
»Kann sein.«
Es war mir schwergefallen, dies zuzugeben. Was immer wir auch unternahmen, wir mußten sehr behutsam vorgehen, um nichts zu zerstören. Wir standen hier einer Macht gegenüber, die zwar der Teufel diktierte, von der uns aber keine Einzelheiten bekannt waren. Und dies wiederum empfand ich als schlimm.
Konnte uns Suko helfen?
Ich beugte mich zu ihm herab und sprach ihn mit leiser Stimme an. »Was können wir tun? Wie geht es dir?«
In seinem kindlichen Gesicht zuckte die Haut. »Ich kann es dir nicht sagen, John. Ich fühle mich so anders.«
»Besser?«
Er schaffte ein knappes Lächeln. »Nein, das kann ich nicht sagen. Aber anders.«
»Wie anders?«
»Ich spüre, daß es Kräfte gibt, die diese Truhe beherrschen. Sie müssen sich im Spiegel verborgen halten. Ich weiß auch nicht, was er ist. Vielleicht ein Einstieg für den Teufel oder für einen anderen Dämon, denn seine Gedanken füllen mich irgendwie aus, ohne daß ich sagen könnte, was sie mir mitteilen wollen.«
»Können wir ihn denn überlisten?«
»Das glaube ich nicht.«
»Gibt es keine Chance?« Meine Stimme drängte ihn förmlich zu einer Antwort.
Suko atmete heftig. »Ich weiß nicht, ob es eine Chance gibt. Aber wenn, dann muß sie mit dem Seelenschwert zusammenhängen. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.«
»Das ist immerhin etwas«, freute ich mich. »Kannst du mir genau sagen, welchen Einfluß das Seelenschwert besitzt?«
»Nein, das kann ich leider nicht. Aber es hat mich in diese Lage hineingebracht, und ich bin sicher, daß es mich auch wieder daraus hervorholen kann.«
»Aber wer hat es denn?«
Suko schwieg.
Ich richtete mich wieder auf. Sir James hatte die Worte des Kindes gehört. Er warf mir einen leicht gequälten Blick zu, bevor er die Schultern hob.
Weitere Kostenlose Bücher