0710 - Der Freund des Satans
Moment sah es so aus, als könnte ihm die schräg in den Bücherrücken steckende Klinge noch den nötigen Halt geben, denn er hielt sich ja noch am Griff fest, aber seine Hände konnten nicht mehr so zupacken. Die Kraft rann allmählich aus seinem Körper.
Er fiel nach vorn.
Tommy Li schlug auf. Und durch die Berührung drang der Pfeil noch tiefer in seinen Körper.
Dann fiel auch das Schwert.
Shao, die sich erhoben hatte und in einer lauernden Haltung angespannt wartete, bekam jede Kleinigkeit mit. Die schwere Klinge löste sich aus den Buchrücken, fiel in einer Geraden nach unten und prallte mit dem Griffende gegen den Kopf von Tommy Li.
Das merkte er nicht, denn ein Toter konnte keine Schmerzen mehr verspüren.
Shao hatte ihn direkt ins Herz getroffen. Seine letzten Bewegungen nach dem Aufprall waren nur mehr Reflexe gewesen, mehr nicht.
Und es tat ihr leid, Ja, es tat ihr so verflucht leid, aber es hatte keine andere Möglichkeit gegeben, denn Tommy Li war nicht zur Vernunft zu bringen gewesen. Er hatte sich dem Satan verkauft und die Folgen selbst tragen müssen.
Shao drückte die Armbrust wieder über ihre Schulter und beugte sich zu Tommy hinab.
Sie sah in seine Augen, die sich nicht mehr bewegten. Der Tod hatte ihnen die gletscherkalte Sperre gebracht.
Sie schloß die Augen. Es war der letzte Dienst, den sie Tommy erweisen konnte.
Danach richtete sie sich auf. Das Schwert lag griffbereit neben ihr. Sie brauchte nur noch zuzupacken, und erst jetzt war ihr klargeworden, daß sie es tatsächlich geschafft hatte, das Ziel zu erreichen.
Ja, sie hatte das Seelenschwert!
Mit beiden Händen umfaßte sie den Griff und hob das Schwert hoch.
War diese Waffe etwas Besonderes? Wurde sie vielleicht von einem magischen Strom durcheilt, dessen Quelle beim Teufel in der Hölle zu finden war?
Sie konnte es nicht sagen, aber eines stand fest: Freiwillig würde sie die Waffe nicht hergeben. Sie stand ihr gut zu Gesicht. Was hinderte sie daran, die Kräfte der Hölle gegen den Teufel einzusetzen, ihn mit dessen eigenen Waffen zu schlagen?
Es wäre ein bedeutender Sieg gewesen!
Der Gedanke daran ließ sie nicht ruhen, aber noch war es nicht soweit. Sie hatte um das Seelenschwert gekämpft, weil sie versuchen wollte, Suko damit zu retten.
Er war die wichtigste Person in diesem Spiel. Der Teufel konnte warten.
Es war seltsam, aber sie merkte schon, daß dieses Schwert etwas Besonderes war. Als eine normale Waffe konnte sie es einfach nicht ansehen, das lag nicht allein an dem sehr dunklen Stahl, sondern auch an seinem Innern.
Darin steckte etwas, das sie nicht fassen und erklären konnte. Es war möglicherweise nicht falsch, von einem Strom zu sprechen, der von der Klinge aus in den Griff hineinfloß, ihre Hände ebenfalls nicht ausließ und als dünner Strom die Arme erreichte, wobei er sogar noch in die Schultern hineinglitt.
Das war ihr bei einer fremden Waffe noch nie passiert, und sie suchte nach einer Erklärung.
Sollte es ein Erbe der Hölle sein? Oder eine sich in der Klinge befindliche Erinnerung an das Feuer, in dem die Waffe geschmiedet worden war?
Wie dem auch war, Shao nahm sich trotzdem die Zeit, dies zu prüfen. Sie blieb innerhalb des Raumes, trat nur wenige Schritte zur Seite und blieb dann stehen.
Das Kribbeln hatte nicht aufgehört. Mittlerweile dachte sie sogar daran, daß es zu einer Botschaft werden konnte, die ihr jemand schickte. Auch Shao gehört aufgrund ihres Schicksals zu den sensitiven Menschen, die Botschaften aus anderen Dimensionen über Zeit und Raum hinweg empfangen konnte.
Und genau diese Waffe strahlte eine Botschaft ab.
Jemand wollte über das Schwert hinweg mit ihr in Kontakt treten. Er benutzte es als Katalysator, und es war eine Person, die ebenfalls unmittelbar mit dem Schwert zu tun gehabt hatte.
Suko?
Der Gedanke überkam sie. Sie spürte den heißen Strom über ihren Körper rinnen, und dieser Strom war dann in ihr, aber anders als der äußere. Er brachte eine Botschaft.
Er brachte Gedanken…
Sukos Gedanken!
Shao vergaß in den folgenden Sekunden ihr eigenes Schicksal. Sie vergaß sich selbst, sie konzentrierte sich allein auf das, was ihr Suko mitzuteilen hatte.
Sie las seine Gedanken, denn er war ebenfalls mit dem Schwert verbunden gewesen.
Es hatte ihn geteilt, es hatte aus ihm zwei Personen gemacht. Das Gute und das Böse.
Und Shao »hörte«.
Über das Schwert hinweg teilte ihr Suko auf telepathischem Wege mit, in welch einer verzweifelten Lage
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