0712 - Der Mumienfluch
liegend vor. Es war ein Bild, das ich nie vergessen würde, denn vor uns lag kein schlichtes Bauwerk, mir kam es vor wie eine Inszenierung.
Ein großes, hohes, lichterfülltes Dreieck schwamm auf den Planken eines Pontons. Für mich war es von einer nahezu imponierenden Schönheit. Ein wundersames Bauwerk, das sicherlich auch die Kraft hatte, Menschen zu begeistern und in andere Sphären zu führen. Ich wunderte mich laut über diese Offenheit und bekam von Sarah die Erklärung dafür.
»Corall will nicht isoliert sein. Er sieht sein Bauwerk als Welt in der Welt an.«
»So ist das.«
»Ja, er denkt manchmal anders.«
»Und das Grundstück gehört ihm?«
»Sicher.«
»Dann muß er Geld haben.«
»Wie ich hörte, stammt er aus einer sehr reichen Familie. Mehr weiß ich auch nicht.«
Auf der dunklen Wasserfläche malten sich Teile der Pyramide als zitternde Schatten ab. In sie hinein liefen die beleuchteten Stege, die erst an dem Ponton endeten.
Sogar einen Parkplatz fand ich. Dort standen mehrere Wagen. Ich stellte den Toyota neben einem Ford ab und öffnete die Tür. »Denken Sie daran, was Sie versprochen haben, Sarah. Keinen Schritt auf die Pyramide zu, bitte.«
»Klar.« Sie sprach seltsam, als wäre das Wort in einer ausgetrockneten Kehle geboren worden.
»Geht schon klar«, sagte ich und lächelte ihr beim Aussteigen zu. »Machen Sie sich keine Sorgen.«
Sarah strich über ihr Haar und bog die Spitzen nach hinten. Sie sah aus, als wollte sie anfangen zu weinen, aber sie riß sich zusammen. Dann lag der Wagen hinter mir, und mein Blick konzentrierte sich allein auf diese wunderbare Kulisse.
Das war super, das war filmreif. Nur mußte ich mich davor hüten, in Euphorie zu verfallen. Wichtig war es, die Kühle zu bewahren und nicht emotional zu reagieren.
Vier Stege standen zur Verfügung.
Ich lief auf den ersten zu, der aussah, als würde er dicht über der zitternden, leicht welligen Wasserfläche schweben und einfach hinein ins Licht führen.
Auf dem Steg hatte ich Zeit genug, mir die Pyramide anzuschauen. Ein leichter Wind strich gegen mein Gesicht, störte mich aber nicht allzu sehr, so daß ich klar und deutlich die Bewegungen hinter dem Glas verfolgen konnte.
Das Innere war in mehrere durchlässige Kammern oder Räume aufgeteilt. In ihnen hatten sich die Jünger des James Corall verteilt. Sie taten körperlich wenig. Die meisten saßen in einer Runde zusammen, sprachen miteinander, waren manchmal auch in sich selbst versunken oder lagen rücklings auf dem Boden, um sich einer Meditation voll und ganz hinzugeben, dabei die Blicke immer in die Höhe gerichtet, der Spitze der Pyramide zu, die an ihrer Außenseite einen goldenen Überzug aufwies.
Alles sah so harmlos aus, aber das täuschte bestimmt.
Außerdem sah ich keine Spur von Abe Douglas. Er mußte aber in der Pyramide sein, denn ich hatte seinen Wagen auf dem Parkplatz gesehen. Möglicherweise hatte man ihn schon überwältigt und der Mumie überlassen. Ich glaubte nicht daran, daß Abe es schaffen würde, dieses Untier zu besiegen. Er besaß nicht die entsprechenden Waffen.
Noch zwei lange Schritte, dann stand ich auf dem Ponton. Ich mußte mich schon sehr stark konzentrieren, um festzustellen, daß er nicht auf festem Boden stand.
Ich sah auch einen Eingang. Es war eine dreieckige Tür, deren Umrisse sich in der Außenhaut abzeichneten.
Davor blieb ich stehen.
Ich schaute noch einmal zurück, auch nach beiden Seiten, aber keine der hellgekleideten Gestalten hielt sich in meiner unmittelbaren Nähe auf, um mich anzugreifen.
Es blieb alles sehr ruhig.
Klopfen, klingeln oder was auch immer? Ich entschied mich dafür, mit der Faust gegen die Tür zu schlagen. Den Arm hatte ich bereits erhoben, als meine Hand mitten in der Bewegung erstarrte.
Von innen wurde eine dreieckige Tür geöffnet. Der Mann, der vor mir stand und so widerlich falsch lächelte, mußte einfach James Corall sein.
»Kommen Sie herein, Mr. Sinclair«, sagte er leise und gab den Weg für mich frei…
***
Abe Douglas erwachte und hatte das Gefühl, in alte Tücher eingewickelt zu sein, die alles an ihm zusammendrückten, sogar seinen Kopf, denn er schmerzte ebenfalls.
Er lag auf dem Boden, wußte nicht, wo er sich befand, und versuchte zunächst, seine Gedanken zu sortieren.
Allmählich kehrte die Erinnerung zurück, und sie bestand praktisch aus einem Bild.
Es hieß James Corall!
Er sah nur dieses breite, widerliche Gesicht, die kleinen, tückischen Augen,
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