0712 - Satan von Kaschmir
schnurrbärtige Fahrer drehte sich um. Er saß auf der rechten Seite, da in Kaschmir - wie in ganz Indien -Linksverkehr herrschte.
»Leider notwendig, Sahib! Diese dreckigen Mujahedin-Hunde schießen jede Nacht aus dem Hinterhalt, die Feiglinge! Wenn unsere tapfere Armee nicht mit den Moslem-Hunden aufräumen würde, ginge es hier noch viel schlimmer zu!«
Zamorras Blick fiel auf die bunten Bilder, die am Armaturenbrett aufgeklebt waren. Sie stellten die indischen Gottheiten Vishnu, Brahma und Krishna dar. Der Fahrer war offensichtlich kein Moslem.
Zamorra verzichtete auf einen Kommentar. Wenn es um Religion ging, waren viele Menschen leider so blindwütig wie schwarzmagische Kreaturen. Aus solchen Konflikten hält man sich besser raus, dachte er. Außerdem waren sie ja aus anderen Gründen nach Kaschmir gekommen.
»Wo soll's hingehen, Sahib?«, fragte der Taxifahrer. Wild hupend startete er den Hindustan Ambassador, obwohl der Verkehr eher spärlich floss.
»Bringen Sie uns zu einem guten Hotel.«
»Jawohl, Sahib. Hotel New Rigadoon. Sehr gutes Hotel.«
Nicole betrachtete nachdenklich einige arme Teufel, die unweit des Jhelum-Rivers zwischen ihren Habseligkeiten saßen. Es waren ganze Familien. Männer, Frauen und Kinder. Sie trugen abgeschabte Fellmäntel. Die Köpfe der Jungen hatte man rasiert. Die Frauen waren verschleiert.
»Was sind das für Leute?«, fragte Nicole auf Englisch.
»Haben Sie nicht von diesem Dämon gehört, Memsahib?«, fragte der Taxifahrer zurück. »Eine Bestie, die ganze Dörfer zerstört. Aus so einem Dorf sind die da geflohen.« Plötzlich lachte der Mann am Steuer dreckig.
»Die Rache der Götter, wenn Sie mich fragen! Soll dieser Dämon doch wüten - solange er sich an die Moslems hält!«
»Halten Sie an!«, sagte Nicole mit eiskalter Stimme. »Mir ist schlecht!«
Der Fahrer stieg in die Eisen, besorgt um seine Sitzpolster. Er schien nicht zu merken, wie sehr seine hasserfüllten Reden Nicole und Zamorra anwiderten.
Die beiden Dämonenjäger stiegen aus und gingen zu den Flüchtlingen herüber. Die Bergbewohner sprachen gebrochen Englisch. Nachdem ihr Misstrauen überwunden war, begannen sie stockend zu berichten.
»Plötzlich waren überall Blitze, Sahib«, erzählte ein alter Mann. Er trug einen langen weißen Bart und eine Lammfellmütze. »Aber kein normales Gewitter, wie Allah es uns schickt. Da kamen die Kräfte der Hölle hervor, Sahib!«
»Was genau habt ihr gesehen?«
»Höllenaugen. Und dann war alles Schwarz. Immer wieder Blitze. Und ein schauriges Gelächter. Das ganze Dorf brannte. Viele Menschen starben. Ich bin gerannt, so schnell mich meine alten Beine trugen. Dann fiel ich einen Abhang hinunter. Das war wohl meine Rettung. Doch unser Dorf gibt es nicht mehr, Sahib. Schlimmer als jede Bombe hat dieser Dämon gewütet!«
Zamorra befragte die Flüchtlinge noch eine Weile. Doch etwas Konkretes konnten sie nicht sagen. Richtig gesehen hatte den Dämon keiner von ihnen. Doch sie alle hatten seine Kräfte gespürt. Das Entsetzen stand in den rauen Gesichtern der Bergbewohner geschrieben.
»Das Böse hat uns heimgesucht, Sahib«, sagte der Alte schließlich. »Es war vorhanden. So wie der Stein, auf dem ich gerade sitze. Die verfluchte indische Regierung glaubt uns nicht. Sie redet von einer Naturkatastrophe. Einem Gewitter mit nachfolgendem Erdrutsch. Doch die Kräfte der Hölle waren da!«
Viel hatten Zamorra und Nicole von den Flüchtlingen nicht erfahren können. Immerhin wussten sie nun, dass sie nicht wegen einer Zeitungsfalschmeldung nach Kaschmir gekommen waren.
Hier schien wirklich ein Dämon sein Unwesen zu treiben.
Zamorra gab dem Alten ein paar größere Dollarnoten. Das war alles, was er momentan für die Flüchtlinge tun konnte. Ihre zerstörte Heimat würde das Geld ihnen nicht ersetzen können.
Nachdem Zamorra und Nicole den Opfern des Dämons Glück für die Zukunft gewünscht hatten, bestiegen sie wieder das Taxi.
»Haben Sie diesen Moslems etwa Geld gegeben?«, ereiferte sich der Fahrer. »Die sind doch…«
»Fahren Sie uns zum Hotel!«, knurrte Zamorra. »Und halten Sie endlich den Mund!«
Der Mann am Lenkrad murmelte etwas auf Hindi. Es war bestimmt keine Höflichkeitsfloskel.
Aber immerhin mussten die Dämonenjäger sich für den Rest der Fahrt keine weiteren Hasstiraden anhören.
Das Hotel New Rigadoon lag am Ufer der riesigen, silbrig-glitzernden Dal-Sees. Am Horizont ragten die Bergriesen des Himalaja auf. Und auf dem
Weitere Kostenlose Bücher