0712 - Satan von Kaschmir
Magere Ziegen meckerten bei dem ungewohnten Anblick. Ernste Frauen, die Getreide in Trögen zerstoßen hatten, blickten von ihrer Arbeit auf.
Der General wollte die Dorfbewohner befragen, ob sie den Dämon schon einmal gesehen hatten.
Doch dazu kam es nicht mehr.
Plötzlich verdunkelte sich der Himmel. Eben noch war kaum ein Wölkchen über den fernen Berggipfeln zu sehen gewesen. Nun aber schien es, als hätten die Götter ein schwarzes Tuch über Kaschmir geworfen.
Die Götter?, fragte sich der General. Oder die bösen Mächte?
Instinktiv zog Matsya sein Schwert. Der erfahrene Offizier spähte umher. Seinen scharfen Augen entging nichts. Doch noch konnte er keine Bedrohung erkennen.
Keine Lanzen, keine Schwerter, keine feindlichen Truppen.
Und doch war plötzlich etwas aufgetaucht, das viel bedrohlicher war als jeder Mongole, gegen den Matsya jemals gekämpft hatte.
Aber wo war dieser unsichtbare Feind?
»Bogenschützen bereitmachen!«, kommandierte der General. »Speerwerfer - anhalten und in Position gehen!«
Die Männer gehorchten. Auch unter ihnen breitete sich Unruhe aus.
Die Dorfbewohner ließen ihre Arbeit ruhen. Erschreckt durch die Verfinsterung, aber auch neugierig standen sie vor ihren Hütten und blickten auf die Soldaten, die sich zum Kampf bereit machten.
Zum Kampf gegen wen?
Der Himmel war nun so dunkel, dass man kaum noch die Hand vor Augen sehen konnte.
Da spaltete plötzlich ein Blitz den Himmel!
Er war heftiger als jeder andere Blitz, den Matsya in seinem langen Leben gesehen hatte. Und es folgte ein Donner, der die Erde erzittern ließ.
Die Kriegselefanten trompeteten ängstlich. Wären sie nicht so gut dressiert gewesen, dann hätten sie ihr Heil in der Flucht gesucht.
Matsya spürte, dass er nur den Auftakt erlebte. Es war wie bei einem Singspiel am Hofe Kaiser Ashokas.
Erst ertönte nur die Musik der Sitars und der Trommeln. Und dann traten die Schauspieler auf.
Kaum war dem General dieser Vergleich eingefallen, als auch schon die Hauptperson die Bühne betrat.
Der Dämon.
Die Bestie, gegen die eine ganze Armee kämpfen sollte.
Gubhar erschien aus dem Nichts.
Plötzlich war er da. Direkt vor den vordersten Einheiten von Matsyas Leuten.
Und er war nicht allein.
Gubhar ritt auf dem Rücken eines riesigen schwarzen Raubtiers mit acht Pfoten!
General Matsya war ein tapferer Mann.
Doch der Anblick dieser beiden Schreckensgestalten ließ sein Blut zu Eis gefrieren.
Gubhar hatte die Gestalt eines Mannes. Und doch spürte der Offizier sofort, dass er keinen gewöhnlichen Krieger vor sich hatte.
Der Dämon war nicht nur viel größer als jeder normale Mensch. Er verströmte auch eine düstere Aura des Bösen, die zutiefst unmenschlich war.
Seine dämonische Fratze wurde halb unter dem schweren Eisenhelm verborgen, auf dem drei krumme Hörner befestigt waren.
Doch Gubhars breites Maul konnte man deutlich erkennen. Das Maul mit den Reißzähnen, die jedem Tiger alle Ehre gemacht hätten!
Der Dämon war nackt bis auf eine Art Hüfttuch. Darüber trug er einen breiten Waffengürtel, der mit einem Totenkopf verziert war. In diesem Gürtel steckte eine doppelschneidige blutige Streitaxt.
Und in seinen Fäusten hielt Gubhar ein langes Schwert, einen Beidhänder.
Nun schlug plötzlich ein Blitz in seine gezogene Waffe!
Jeder Mensch wäre durch diesen Treffer gefällt worden. Doch der Dämon schien weitere Kraft aufzunehmen, während das Donnergrollen erneut den Boden erzittern ließ.
Die Dorfbewohner schrien, weinten und jammerten vor Angst. Sie zogen sich in ihre armseligen Hütten zurück. Auch durch die Reihen der Soldaten ging ein erschrockenes Raunen. Aber die Männer waren zu diszipliniert, um zurückzuweichen.
Noch.
Denn nun griff der Dämon auf seinem Reittier die Armee des Kaisers an!
Die riesige schwarze Raubkatze zwischen seinen Schenkeln besaß acht Pfoten mit langen, gebogenen Krallen. Jeder ihrer beiden Reißzähne war gewiss so lang wie eines der Kurzschwerter, mit denen die Fußsoldaten neben ihren Speeren bewaffnet waren.
Und auf dem Kopf, über den tückischen gelben Augen, hatte die Höllenkreatur zwei Fühler. So wie eine Heuschrecke.
General Matsya war vom Anblick dieses doppelten Schreckens wie gelähmt. Trotzdem benötigte er nur einen Moment, bis er sich gesammelt hatte. Innerlich flehte er die Götter um Beistand an. Seine befehlsgewohnte Stimme hallte durch das Tal.
»Tötet die Dämonen!«
***
Das Blut der tapferen Krieger färbte den
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