0712 - Satan von Kaschmir
Nicole. »Der wird…«
Ein Schreckensschrei von Ali unterbrach sie.
Zamorra und Nicole wirbelten herum.
Sie sahen nun, worauf Ali mit zitternder Hand deutete.
Das Schwert des Dämons.
Es schwebte ungefähr drei Fuß hoch in der Luft und bewegte sich rhythmisch hin und her…
***
Nicole zerbiss einen Fluch auf den Lippen. Sie packte Merlins Stern, den sie immer noch in den Händen hielt, fester.
Doch da ertönte eine sanfte Stimme aus dem Nirgendwo.
»Ich danke euch.«
Die Dämonenjäger und der Junge schauten sich irritiert um. Doch es war nirgendwo jemand zu sehen, der gesprochen hatte. Außer…
»Ich habe diese Stimme gewählt, um mit euch in Kontakt zu treten«, sagte das Schwert.
»Wer bist du?«, wollte Zamorra wissen.
»Ich bin das, was ihr einen Halbgott nennen würdet. Einst wurde ich von Gubhar besiegt und in dieses Schwert gebannt. Doch ihr beide habt ihn und seine Dämonenkatze besiegt«, betonte das Schwert, »und dafür möchte ich euch noch einmal danken. Ich habe jedes Mal Höllenqualen ausstehen müssen, wenn ich - von Gubhars Hand geführt - unschuldiges Blut vergießen musste. Aber jetzt kann ich endlich das Karma abtragen, das ich auf mich geladen habe.«
»Wie willst du das machen?«, fragte Zamorra misstrauisch.
»So!«
Und bevor Zamorra oder Nicole etwas unternehmen konnten, hatte das Schwert einen blitzschnellen Streich ausgeführt.
Es schnitt einen kilometerlangen Hiss in den Himmel!
Den drei Menschen blieben vor Staunen die Münder offen stehen.
Der Riss klaffte auseinander. Unzählige feinstoffliche Wesen, kaum zu erkennen, schwebten durch das entstandene Dimensionsloch. Die Sonne über den Gipfeln des Himalaja war nun schon fast untergegangen. Im Licht ihrer letzten Strahlen schien eine ganze Armee von Geistwesen durch die Luft zu gleiten und sich aufzulösen.
Ali hatte sich auf die Knie fallen lassen und rief Allah und seinen Propheten um Unterstützung an.
»Diese armen Wesen«, erklärte das Schwert, »sind die Opfer des Dämons Gubhar. Seit anfangsloser Zeit hat er unendlich viel Leid über Kaschmir gebracht. Erst ihr habt seinem Treiben für immer ein Ende gemacht. Ich habe Gubhars Reich aufgeschnitten. Wenn die letzte Seele entwichen ist und ihren Frieden gefunden hat, wird sich das Land des Dämonen ebenfalls auflösen. Und nun, lebt wohl.«
»Warte!«, rief Zamorra. »Wie heißt du überhaupt?«
»Man nennt mich Parusha…«
Nachdem diese Worte verklungen waren, klirrte das Schwert zu Boden. Im Handumdrehen fing es an zu rosten, verwandelte es sich in einen Haufen Schrott.
Parusha, der Halbgott, war in seine Welt zurückgekehrt.
Zamorra, Nicole und Ali schauten noch eine Weile zu, wie die gequälten Seelen aus dem Reich des Dämons entwichen. Schließlich, als dessen Machtsphäre offenbar leer war, verschwand der Riss am Himmel. So, als ob er nie existiert hätte.
***
Srinagar
»Sind wir hier richtig?«, fragte Zamorra. Er sprang geistesgegenwärtig zur Seite, um einem städtischen Linienbus auszuweichen.
»Laut Stadtplan ja«, murmelte Nicole. Sie drängten sich gerade zwischen einer zahnlosen Gurkenverkäuferin und einem Freiluft-Friseur hindurch, dann hatten sie die Mauern des Waisenhauses erreicht.
Es war nicht ganz einfach gewesen, hier einen Platz für Ali zu bekommen. Doch mit US-Dollars ließ sich einiges machen. Der Junge hatte eingesehen, dass sich Zamorra und Nicole wohl nicht von ihm zu seinem Glauben bekehren lassen würden.
Stattdessen hatte er zugestimmt, die Schule zu besuchen. Um das Schulgeld und die Unterbringung in dem Waisenhaus würde sich Zamorra auch in Zukunft kümmern. Das Geld dafür ließ sich aus der deBlaussec-Stiftung abzweigen, die Zamorra einst mit dem Gegenwert eines von ihm geborgenen und neutralisierten Dämonenschatzes gegründet hatte, um Opfern dämonischer Attacken so unbürokratisch und effektiv wie möglich zu helfen. Und irgendwie war Ali ja ein Dämonenopfer.
Die beiden Dämonenjäger läuteten.
Nach einer Weile erschien eine junge Frau in traditioneller Tracht an der Pforte. Sie bat Zamorra und Nicole herein.
Nach dem Lärm und dem Gestank der Gassen war das Waisenhaus eine Oase der Ruhe. Zwischen der Umfassungsmauer und dem Hauptgebäude gab es große, gepflegte Rasenflächen.
»Wie geht es Ali?«, fragte Nicole.
»Gut, denke ich«, erwiderte die Kaschmiri. »Viele Kinder, die zu uns kommen, sind völlig verstört. Aber er scheint sich schnell einzuleben.«
Zamorra nickte. Es war ein
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