0717 - Das Treibhaus des Schreckens
begrüßen, und auf Willys breitem Gesicht erschien ein Lächeln.
In den Händen hielt er zwei grüne Gießkannen. Sie waren bis zum Rand gefüllt. Im Wasser hatte er einen bestimmten Dünger aufgelöst, leider nicht den seinen, den hatte er bereits in der Erde verteilt.
Willy dachte schon über eine zweite Lieferung nach. Er wollte sie in den nächsten Tagen bestellen, denn dieses eine Treibhaus war für ihn erst der Anfang. Die neue Kraft sollte auf weitere übertragen werden, damit den Menschen endlich klargemacht wurde, wozu die Natur fähig war.
Ihr gehörte die Welt, sie war vor den Menschen da gewesen, die sie dann nur zerstört hatten. Besonders in den letzten Jahren, wo niemand mehr Rücksicht nahm.
Willy goss.
Nicht jede Pflanze war entartet. Er hatte sie geschickt auf die Beete verteilt. Ein Fremder hätte nie herausgefunden, wo die Killerpflanzen standen.
Er war so guter Laune, summte ein Lied und begrüßte zwischendurch seine Lieblinge mit Namen. Es waren nicht die lateinischen Bezeichnungen, er hatte ihnen extra Namen gegeben. So hießen die Pflanzen Mary, June oder Gladys.
Draußen war das Wetter dumpf, grau und herbstlich kühl. Im Treibhaus selbst brannte die künstliche Beleuchtung, die Willy strahlender vorkam als die hellste Sonne. Sie schuf ein Licht ohne Schatten. Jede Pflanze war gut zu erkennen, und jede erhielt auch nur eine bestimmte Menge Wasser, das hatte Willy genau im Griff.
Immer, wenn er die veränderten Pflanzen sah, unterbrach er seine Tätigkeit und streichelte die Stiele oder Blätter. Manche fühlten sich an wie Fleisch. Sie hatten eine ähnliche Oberfläche und waren ungewöhnlich dick oder fettig. Er liebte sie, er mochte sie und er ließ die dünneren Blätter manchmal durch seine Finger gleiten.
Er hatte die Hälfte des langen Beetes geschafft, als die beiden Kannen leer waren. Das Wasserbecken befand sich nahe seiner Behausung, dorthin musste er wieder zurück.
Vor ihm wuchs eine prächtige Orchidee hoch. Sie schillerte in verschiedenen Rottönen. Im Zentrum sehr dunkel, an den Rändern heller, wie erstarrte Flammen. Er liebte diese Blume und der Blütenduft war für ihn wie ein Rauschgift. Auch jetzt saugte er ihn tief ein, wobei er die Augen offen hielt und sie verdrehte.
Wirklich ein Genuss.
Dann hörte er die Stimme. Sehr laut und etwas ungeduldig hallte sie durch das Treibhaus.
»Willy!«
Er verzog die Lippen. Nur einer konnte so rufen. Es war der Chef, Mr. Raskowski. Willy Manson grunzte unwillig. Es passte ihm nicht, dass er ausgerechnet jetzt auftauchte. Aber Willy konnte auch nicht so tun, als wäre er nicht da.
»Ja, Chef, ich bin hier.«
»Hast du zu tun?«
»Ich gieße die Pflanzen.«
»Dann komm her.«
Mit den leeren Gießkannen ging Willy auf den Mann zu. Er erwartete ihn im Hintergrund, wo Willy auch seine Bude hatte. Wie immer trug Raskowski den grünen Kittel. Er war vor mehr als zwanzig Jahren aus Polen geflohen und hatte sich hier in London eine Existenz aufgebaut. Raskowski war ziemlich groß und breitschultrig.
Sein Gesicht schien fast nur aus Bart zu bestehen. Die Augen lagen in den Höhlen wie dunkle Tropfen. Schwielen an den kräftigen und breiten Händen zeugten von der schweren Arbeit, vor der sich Raskowski nie gescheut hatte.
Manson stellte die Kannen ab. Im Vergleich zu Raskowski wirkte er wie ein Zwerg.
»Morgen, Willy.«
»Hi, Chef.«
»Alles klar bei dir?«
Willys breiter Mund lächelte. »Bis jetzt schon, Chef. Danke der Nachfrage.«
Raskowski stemmte die Hände in die Hüften und schaute sich um.
Dabei ging er einige Schritte vor und auch an Willy vorbei. »Wahnsinn«, sagte er, »Wahnsinn, wie sich das hier alles entwickelt hat. Das ist schon irgendwie einmalig.«
»Danke, Chef.«
Raskowski redete, ohne sich umzudrehen. »Wie hast du das gemacht, Willy?«
»Was soll ich gemacht haben?«
»Dass sich die Pflanzen so prächtig entwickeln?«
Willy lachte. Es klang ein wenig stolz und gleichzeitig auch verlegen. »Sie wissen doch, Chef, dass ich ein besonderes Verhältnis zu meinen Lieblingen habe. Für mich sind die Pflanzen und Blumen nicht einfach nur Gegenstände, sondern Lebewesen, die gehegt und gepflegt werden müssen. Man muss mit ihnen reden, man darf sie nicht einfach zur Seite schieben. Sie müssen merken, dass man es gut mit ihnen meint.«
»Und das merken sie?« Raskowski drehte sich um.
Willy nickte. »Und ob sie das merken.«
»Dann ist es ja schade, dass ich dir einige deiner Lieblinge
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