0717 - Stygias Opfer
mal auf dem Asphalt. Sie sah, womit sie ihren rasenden Flug gebremst hatte - die Straßenlaterne. An ihrem heißen Glas hatte sie sich sekundenlang fest gehalten. Gerade kurz genug, um sich keine Brandblasen zu holen, wie sie erleichtert feststellte.
Dafür hatte sie sich die Handballen und ein Knie aufgeschürft und sich eine Menge blauer Flecken geholt. Das schmerzte, ließ sich aber ertragen. Sie besaß gutes Heilfleisch.
Dank des Wasser von der Quelle des Lebens, das sie vor vielen Jahren ebenso wie Zamorra getrunken hatte, kurierte sie Verletzungen relativ schnell aus. Vermutlich war von den Abschürfungen in ein paar Stunden schon nichts mehr zu sehen.
Sie richtete sich langsam wieder auf. Versuchte, zu stehen und ein paar Schritte zu gehen. Das klappte.
Sie sah an der Fassade hinauf - und glaubte ihren Augen nicht trauen zu dürfen.
Das zersplitterte Fenster reparierte sich selbst!
Gerade schwebten die letzten Scherben und Splitter in die Höhe und fügten sich nahtlos in den Rest des Fensterglases ein! Augenblicke später sah alles wieder so aus, als wäre gar nichts passiert.
Als wäre die Scheibe nie zerstört worden!
Als wäre Nicole nie von einer magischen Kraft, der sie nichts entgegenzusetzen hatte, hinausgezerrt worden!
Langsam, ganz langsam wandte sie sich jetzt dem Spukhaus zu.
Da war immer noch die schwarze Fläche mit dem Strudel!
Und im gleichen Moment, in dem Nicole wieder hinschaute, erfasste sie dieser Sog abermals und riss sie genau in den Strudel hinein…
***
Mittlerweile war es Zamorra gelungen, Alexander und seine bessere Hälfte Darlene zu einem Gespräch zu überreden. Immerhin hatte er sie ja davon überzeugen können, dass er kein Bösewicht aus der Hölle war.
»Angefangen hat es vor etwas über einer Woche«, sagte Darlene. »Nicht wahr, Alexander?«
Alexander nickte.
»Da ging dieser Spuk los. Nicht wahr, Alexander?«
Alexander nickte.
»Erst dachten wir, das kann doch alles gar nicht sein. Dass ein Haus so einfach verschwindet. Nicht wahr, Alexander?«
Alexander nickte.
»Aber es war weg, einfach verschwunden. Stattdessen brodelte da ein Vulkan. Nicht wahr, Alexander?«
Zamorra verdrehte die Augen. Ihm ging diese Art des bestätigenden Dialogs gewaltig auf die Nerven. Aber er hielt sich zurück, um die beiden Leute nicht zu verärgern. Schließlich brauchte er Informationen, und hier, direkt aus dem Nachbarhaus, konnte er sie bekommen. Er wollte nicht unbedingt jedes einzelne Haus und jede einzelne Wohnung in der Nachbarschaft, abklappern.
Vermutlich hatten das ohnehin schon die Reporter getan und waren den Leuten ihrerseits auf die Nerven gegangen. Und Zamorra könnte froh sein, wenn man ihn nicht einfach davonjagte oder ähnlich attackierte, wie es hier anfangs passiert war. Sein Bedarf an solchen Begegnungen war mehr als gedeckt.
Während Alexander immer wieder zu dem nickte, was Darlene erzählte, entsann er sich seiner Pflichten Gastgeber und bot Zamorra Cognac an. Der war offenbar in der dunkelsten Ecke des Kellers selbst gebrannt worden, und Zamorra nahm nur einen ersten kleinen Schluck, um danach nur noch so zu tun, als würde er trinken.
Derweil berichtete Darlene, ausschweifend und permanent von ihren »nicht wahr, Alexander«-Fragen durchsetzt, über eine Reihe von Spukerscheinungen im und am Nachbarhaus.
»Sie waren im Haus?«, hakte Zamorra in einem kurzen Moment des Luftholens nach.
»Natürlich nicht!«, protestierte Darlene. »Aber man kann doch durch die Fenster ins Innere schauen, nicht wahr, Alexander?«
Zamorra fragte sich, aus welchem Grund Alexander sein Ehegespons noch nicht umgebracht hatte. Vielleicht hatte ihm im Laufe der Jahre der Selbstgebrannte Cognac das Gehirn aufgeweicht.
»Was ist mit den Bewohnern des Hauses?«, wollte Zamorra wissen.
»Kennen wir nicht. Haben wir noch nie gesehen, nicht wahr, Alexander?«
Zamorra schüttelte energisch den Kopf. »Madame, wie lange wohnen Sie hier?«
»Seit meiner Geburt. Also seit fünfzig Jahren. Nicht wahr…«
»Und in der ganzen Zeit haben Sie nie Ihre Nachbarn gesehen und kennen sie nicht? Das können Sie jemandem erzählen, der die Unterhose über den Kopf anzieht. Ihre Informationen sind nichts wert, Madame. Vergessen Sie, dass ich Sie gefragt habe. Danke für den Cognac, Monsieur - und das wars dann wohl.« Er erhob sich und ging zur Tür.
»Nun warten Sie doch!«, fuhr Darlene auf. »Wir… äh… Sie… Nun sag doch auch mal was, Alexander!«
Zamorra winkte ab. »Nicht
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