0718 - Das Dorf der Toten
vielmehr neugierig. Das Bündel, in dem er seine spärliche Habe trug, schlug ihm auf den Rücken, als wolle es ihn zu noch schnellerem Lauf treiben.
Was er dann sah, konnte er einfach nicht glauben.
Er hatte völlig richtig gelegen mit seinem Vergleich - ließ man außer acht, dass die Schrottpresse fehlte.
Unübersehbar aber war ihr Werk -das Fahrzeug war kaum noch als solches zu identifizieren. Aber Karl erkannte es sofort, zu schmerzhaft war sein Kontakt damit gewesen. Er konnte beobachten, wie es von gewaltigen Kräften flach gepresst und zusammengeschoben wurde.
Urplötzlich aber hörte es auf.
Als sei sie Karl wie sein Schatten vom Friedhof hierher gefolgt, legte sie sich über das unmögliche Szenario und ließ es erstarren…
Die tiefe Totenstille.
***
Der Aluminiumkoffer, in dem sich neben dem Dhyarra stets diverse Gemmen sowie magische Kreide, Weihwasser und ähnliche Hilfsmittel befanden, stand in einer Nische hinter dem Fahrerhaus des Wohnmobils.
Kaum drei Meter von Zamorra entfernt.
An sich eine lächerliche Distanz -unter normalen Umständen jedenfalls…
Wenn ringsum allerdings ein lokal begrenzter Weltuntergang vonstatten ging, stellte sich die Sache ganz anders dar!
Unter der Gewalt der unsichtbaren Macht, ging das komplette Interieur zu Bruch. Splitter und Trümmer regneten auf Zamorra nieder, dazu all das, was sich in den Schränken befunden hatte: Geschirr. Besteck…
Der ohnedies nur handtuchbreite Mittelgang wurde immer schmaler. Die Decke über Zamorra senkte sich, war mittlerweile so nah, dass er im Liegen nur den Arm hochstrecken hätte müssen, um sie mit den Fingerspitzen zu berühren. Die Wände wölbten sich auf ihn zu. Und jetzt schien sich auch noch der Boden unter ihm zu heben, stoßweise, als würde von unten mit einem riesigen Vorschlaghammer dagegen gedroschen.
Verbissen robbte Zamorra weiter, Handbreite um Handbreite.
Noch zwei Meter bis zum Koffer.
Weiter!
Noch anderthalb Meter, dann nur noch einer.
Zamorra spürte die Berührung der eingeknickten Wände an seinem Körper. Irgendetwas fügte ihm eine weitere blutige Schramme zu.
Die eingesunkene Decke berührte seinen Rücken. Der Druck nahm zu, langsam, aber stetig.
Er wollte weiterkriechen. Es blieb beim Wollen…
»Was ist?«, lief irgendwo hinter ihm Nicole mit gequälter Stimme.
»Ich stecke fest!«, keuchte er.
»Kommst du - an den Koffer ran?«
»Ich Versuchs!«
Mühsam schaffte Zamorra es, den Arm in Richtung des Koffers zu strecken. Seine Finger berührten das Aluminium. Fanden aber keinen Halt.
Mit zusammengebissenen Zähnen mühte sich Zamorra noch ein paar Zentimeter weiter, streckte den Arm, bis ihm Schulter und Muskeln wehtaten. Seine Hand kroch wie eine ftinfbeinige Spinne zum Griff des Koffers hin, war drauf und dran, ihn zu packen, den Koffer herzuziehen…
Wieder brach irgendetwas!
Mit einem schussähnlichen Laut diesmal, und direkt vor und über Zamorra.
Reflexartig riss er die Hand zurück. Wo sie eben nöch gewesen war, bohrte sich ein Kunststoffspeer in den Teppich und den Boden darunter.
Zamorras Flüche hätten jedem hart gesottenen Seemann die Schamesröte in die Ohren getrieben…
»Bist du in Ordnung?«, hörte er Nicole fragen. Ihrem gepressten Ton entnahm er, dass sie selbst in ärgster Bedrängnis war.
»Glück gehabt«, gab er knapp zurück und wollte abermals nach dem Koffer greifen - der in diesem Moment durch die Erschütterung nach hinten weg und aus Zamorras Reichweite kippte!
Er versuchte, noch etwas weiter zu kriechen. Es ging nicht. Er steckte fest wie ein Korken im Flaschenhals - hoffnungslos.
Rettungslos?
Denn was es auch war, das auf das Wohnmobil einwirkte, es zerdrückte und einstampfte - es schien fest entschlossen, erst dann zu ruhen, wenn es das Gefährt buchstäblich platt gemacht hatte.
Und mit ihm die beiden Personen darin…
Zamorra schloss die Augen. Er erinnerte sich an die Beerdigung in Lyon vor einigen Tagen und die düsteren Gedanken über die relative Unsterblichkeit, die er dort gewälzt hatte. Offenbar waren es nicht einfach nur Gedanken gewesen, sondern vielleicht eine Vorahnung, die er nur nicht richtig zu deuten gewusst oder schlicht nicht ernst genug genommen hatte.
Er fragte sich, ob er wohl besser aufgepasst hätte, auf sich und Nicole, wäre er sich ihrer Bedeutung bewusst gewesen. .
Die Antwort war nein.
Doch das machte es auch nicht leichter…
***
Die Melodie der Bäume, die Stimmen des Waldes, die Klänge des
Weitere Kostenlose Bücher