072 - Der unheimliche Mönch
die Unzulänglichkeit der Schlösser und des Geldschrankes offenbar zu machen. Kurz darauf machte Soapy als Vertreter der Geldschrankfabrik einen Besuch bei dem Herzog und überredete ihn, sein ganzes Haus neu sichern zu lassen.
Der Herzog ist geizig über alle Maßen. Als Soapy ihm daher den Vorschlag machte, ihm einen neuen Geldschrank, neue Schlösser an den Türen und neue Sicherungen für zusammen zweihundert Pfund zu liefern, nahm er das Angebot an. Ich kam darauf, weil der Herzog mir erklärte, er hätte zweihundert Pfund für alles bezahlt. Ich wußte aber, daß allein der Safe mindestens das Doppelte wert war. Soapy hatte einen alten Freund im Hause. Er brauchte also nur hinzugehen, die Tür aufzuschließen und den Safe zu öffnen, von dem er natürlich auch die Schlüssel besaß, da er ihn ja selbst dem Herzog verkauft hatte. Dann konnte er sich mit der Beute davonmachen. Niemand hätte erfahren, wann oder wie der Einbruch verübt wurde. Es war natürlich für Soapy ein glücklicher Zufall, daß Cole Kammerdiener im Hause war."
„Was hat der Herzog denn dazu gesagt?" fragte Campbell.
„Er hat furchtbar geflucht, geschimpft und getobt, weil er den besten Kammerdiener dadurch verlor."
„Ich sage Ihnen ja immer wieder, diese vornehmen Leute sind dickköpfig und schwer von Begriff -"
„Wir wollen uns lieber über meine Spesen unterhalten, die diesmal ziemlich hoch geworden sind!"
3
Als Henry Vandersluis den Entschluß faßte, in die führenden Kreise der englischen Gesellschaft vorzudringen, ging er mit derselben Gründlichkeit und Hartnäckigkeit vor wie im Geschäftsleben. Es war ihm gelungen, die großen Vandersluis-Werke zu gründen, den größten Konzern auf dem Gebiet der Möbelindustrie.
Er siedelte mit seinem Vermögen von zwanzig Millionen Dollar nach England über, zeigte gleich eine besondere Vorliebe und Bewunderung für die englische Aristokratie und faßte den festen Entschluß, auch zu ihr zu gehören. Mr. Vandersluis war ein Streber, und die eisige Kälte des englischen Adels schreckte ihn nicht ab, ebensowenig kümmerte er sich um die vielen Zurückweisungen, die er bei seinen Bemühungen erfuhr.
Er kaufte einen wunderbaren Landsitz in Somersetshire, eine Stadtwohnung am Grosvenor Square, einen Rennstall und eine prachtvolle Jacht, die in den Zeitungen als schwimmender Palast bezeichnet wurde.
Die Motorjacht „Oisa" war hochelegant eingerichtet und schnittig in ihren Umrißlinien. Sie hatte fabelhafte Maschinen, einen ausgezeichneten Kapitän, hervorragende Offiziere und eine gutgeschulte Besatzung. Nur eins fehlte: Die Gäste. Die „Oisa" war ein Palast mit einem König ohne Hof und Höflinge.
In den wundervollen Kabinen hätten Prinzen wohnen können. Meistens schliefen dort aber die Geschäftsfreunde von Mr. Vandersluis, die gar keine Titel besaßen. An Bord der Jacht befand sich auch ein prachtvoller Empfangssalon. Dort saß Mr. Vandersluis und las die Briefe von den Vertretern der höheren Aristokratie, in denen sie mitteilten, daß sie es tief bedauerten, leider nicht imstande zu sein, seiner freundlichen Einladung zu folgen.
Die große Seglerwoche von Cowes begann. Auf der Reede lagen die wunderbarsten, weißen Privatjachten vor Anker, und in dem großen Jachtklub ging es hoch her. Jede Jacht, und wenn sie auch noch so klein war, hatte eine Gesellschaft an Bord, nur die „Oisa" machte eine Ausnahme. Dort befand sich nur Mr. Vandersluis, und er war durchaus nicht in freundlicher Stimmung.
Er stand auf dem Oberdeck der „Oisa", umgeben von einer Anzahl luxuriöser, aber leerer Decksessel. Neben ihm stand sein Sekretär, ein düster dreinblickender junger Mann, der von morgens bis abends Gummi kaute.
Vandersluis blickte von den anderen Jachten auf sein eigenes Deck, auf dem er sich so einsam fühlte.
„Großartig, finden Sie nicht auch?" fragte er bitter. „Ich möchte am liebsten eine Kapelle mieten, die Besatzung mit Champagner traktieren und dann zwischen all den anderen Booten umherfahren."
„Morgen wird es schon anders werden", entgegnete der Sekretär. „Ich sagte Ihnen ja gleich zu Anfang, es würde einsam und still werden. Warum haben Sie nicht Mr. Smithers und Mr. Jackson eingeladen?"
„Smithers und Jackson sind verreist", entgegnete Mr. Vandersluis wütend. „Außerdem kann ich diese Leute aus der City nicht leiden. Die reden den ganzen Tag nur darüber, wo sie in London am besten zu Abend speisen können, wie sie die Bank von England hereingelegt
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