0724 - Der Stasi-Vampir
bin ich nämlich gekommen.«
»Aha. Dann ist sie möglicherweise wieder aufgetaucht - oder?« spottete der Beamte.
»In der Tat. Ich habe sie in der vergangenen Nacht gesehen. Leider nicht als Mensch.«
»Wohl ein Geist gewesen, wie?« höhnte der Beamte.
»Nein, das nicht. Sie war ein Vampir und schwebte vor dem Fenster meines Schlafzimmers.« Stoßflug hatte so laut gesprochen, daß seine Worte auch von den anderen beiden Beamten gehört worden waren, und die drei Männer standen plötzlich da wie Wachspuppen.
Nur der Dicke lief rot an. »Wollen Sie mich verarschen?« fragte er im breitesten Sächsisch.
Helmut Stoßflug schüttelte den Kopf. »Das würde ich mir nie erlauben. Es ist mir ebenso ernst wie vor zehn Jahren.«
»Klar, und damit sind Sie damals in der Klapsmühle gelandet.«
»Was zu den Zeiten auch sehr schnell ging und sich dann als Irrtum herausstellte.«
Ein zweiter Beamter trat an die Barriere heran. »Geh mal zur Seite, Heinrich«, sagte er. »Mein Name ist Uwe Kleist«, stellte er sich vor. »Ich bin noch nicht lange hier und möchte Sie bitten, mir die Geschichte so zu erzählen, wie sie sich in der Vergangenheit und auch in der letzten Nacht abgespielt hat. Wir können dann ein Protokoll aufsetzen.«
Helmut Stoßflug atmete tief durch. Erst jetzt fühlte er sich wohler. Denn diesem jungen Beamten vertraute er. »Ja«, sagte er mit fester Stimme, »dann werde ich mal beginnen.«
»Bitte, tun Sie das.«
Helmut Stoßflug erzählte. Er redete so viel und so schnell wie lange nicht mehr. Die Worte sprudelten nur so aus seinem Mund hervor. Während der alte Beamte sich zur Seite gedreht hatte, damit sein Grinsen nicht zu sehen war, hörte Uwe Kleist sehr aufmerksam zu und sah dabei gar nicht aus, als wollte er Stoßflug nicht glauben.
»Tja, jetzt wissen Sie alles, Herr Kleist. So und nicht anders ist es gewesen.«
Kleist nickte. »Und Ihre Frau schwebte tatsächlich in der Luft.«
»Ja«, prustete Heinrich. »Die schwebende Jungfrau. Mann, der will uns doch hier einseifen.«
»Halt den Mund, verdammt.«
»Bin ja schon still.« Heinrich verschwand im Nebenraum, wo er dann beleidigt blieb.
Helmut Stoßflug wurde hinter die Barriere gebeten, wo er sich setzen konnte. Uwe Kleist persönlich nahm das Protokoll auf. Er kam aus dem Westen und wußte, wie man tat und wo es langging.
Ihn lachte keiner mehr aus, und nach fast zwei Stunden konnte Stoßflug das Protokoll unterschreiben, was er auch gern tat. Inzwischen hatte er seine Jacke ausgezogen. Im Raum war es einfach zu warm. Die anderen Besucher, die zwischendurch erschienen waren, hatte er kaum wahrgenommen.
Seine Hand zitterte, als er den Kugelschreiber zurückgab.
»Und was geschieht jetzt, Herr Kleist?«
Der Beamte drückte sich auf seinem Stuhl zurecht. »Das ist eine gute Frage.«
»Die ich nicht grundlos gestellt habe. Vampire bilden eine wahnsinnige Gefahr, glauben Sie mir. Ich habe mich nach dem Verschwinden meiner Frau mit diesem Thema ausführlich beschäftigt.«
»Das nehme ich Ihnen ohne weiteres ab, Herr Stoßflug. Nur möchte ich Sie zuvor eines fragen.«
»Bitte.«
»Würden Sie das, was Sie in der vergangenen Nacht gesehen haben, auch beschwören? Vor Gericht, meine ich.«
»Sofort. Ohne Einschränkung, Herr Kleist.«
»Dann ist es gut.«
»Meinen Sie denn, daß es zu einer Gerichtsverhandlung kommen wird?«
»Das kann man nicht sagen.«
»Und was geschieht jetzt mit dem Fall?« wollte Helmut wissen. »Ich meine, Sie müssen ihn doch untersuchen - oder nicht?«
»Das werden wir schon.«
»Wo setzen Sie dabei an?«
Uwe Kleist wischte über seine Stirn. »In Leipzig, Herr Stoßflug.« Er lachte, als er dessen Gesicht sah, weil es Unverständnis zeigte. »Ja, in Leipzig«, wiederholte der Polizist, »denn dort sitzt jemand, der auf solche und ähnliche Fälle wartet.«
»Wie das?«
»Dort arbeitet ein Kommissar namens Harry Stahl. Er ist ein normaler Polizist, aber er kümmert sich auch um Fälle wie Ihren. Ich will nicht sagen, daß er darauf spezialisiert ist, gehe aber davon aus, daß er sich darum kümmern wird.«
»Hört sich gut an.«
Kleist spielte mit einem Bleistift. Der junge Mann hatte blondes Haar, es war in einer Welle nach hinten gekämmt. Auf seiner Oberlippe wucherte ein blonder Schnauzbart. »Es kann auch gut werden, Herr Stoßflug, es kann aber auch in die andere Richtung laufen und für Sie zu einem Bumerang werden.«
»Wieso?«
Der Beamte warf den Bleistift in eine Schale. »Indem
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