0725 - Der Satan von Sachsen
gesprochen war. Manchmal schaute er sich auch um, aber seine Helfer hatten sich voll und ganz zurückgezogen.
Es gab sie nicht mehr.
Frau Sander hatte einen alten Wollmantel übergestreift. Sie stand vor dem Geschäft, sprach mit einigen Leuten aus der Nachbarschaft und zog sich in den Laden zurück, als sie Sobek und mich sah. Der Kommissar folgte etwas später.
Ich stellte Sobek neben die alte Kasse, wo die Fächer für das Gemüse und das Obst in die Regalwand eingebaut worden waren. Er befühlte sein Kinn, das eine dicke Beule bekommen hatte. Die Stelle schimmerte blaugrün.
»Das hätten Sie sich ersparen können«, sprach ich ihn an. »Man muß wissen, wenn man verloren hat.«
Sein Blick wurde lauernd. »So, habe ich das?«
»Sicher«, erklärte Harry Stahl, der soeben den Laden betrat. »Du hast verloren, Mann.«
»Noch nicht.«
»Auf deine Helfer wirst du dich nicht verlassen können. Die haben Fersengeld gegeben.«
Das wußte der Tscheche selbst. Wütend schaute er zu Boden und atmete scharf aus.
»Du stehst hier allein«, sagte Harry. »Ganz allein, und du stehst im Regen. Hilfe kannst du - nicht erwarten. Ich rechne durchaus damit, daß sie zurückkommen werden, dann aber nicht, um dich zu befreien, sondern um dich zu killen. Du bist jemand, der einfach zu viel weiß. Du könntest Dinge verraten, die ihnen nicht gefallen. Wenn sie also zurückkommen, dann machen sie dich fertig.«
»Oder saugen Ihr Blut«, sagte ich.
Sobek widersprach nicht. Er ließ sich unsere Worte durch den Kopf gehen. Wir gaben ihm auch die Zeit. Frau Sander kam mit frisch aufgebrühtem Kaffee. Dankbar nahmen Harry und ich die Tasse an. Sobek nicht. Er starrte zu Boden und schüttelte den Kopf.
Wir tranken.
»Also viel Zeit haben Sie nicht«, sagte ich. »Der Kommissar und ich möchten in dieser Nacht noch eine kleine Tour machen. Wir lieben Schlösser, und da steht besonders Schloß Rabenburg ganz oben auf unserer Liste. Wäre das nicht schon ein Grund, uns zur Seite zu stehen?« Ich hatte ihn genau beobachtet und festgestellt, daß er kein besonders guter Schauspieler war. Bei der Erwähnung des Schlosses war er zwar nicht gerade zusammengezuckt, er hatte sich aber anders benommen und den Kopf für einen Moment zur Seite gedreht.
Er kannte das Schloß.
»Es liegt im Wald, nicht wahr? Es ist verwunschen, ein kleines Märchenschloß. Richtig einsam. Ideal für Vampire, ein wunderbares Versteck, für alles zu gebrauchen, sogar als Stasi-Schule. Das war es doch vor der Wende, wie?«
Er deutete ein Nicken an.
Ich lächelte Harry Stahl zu, weil ich das Gefühl hatte, den Panzer angebrochen zu haben.
»Wer wurde dort ausgebildet?« fragte Harry.
»Keiner.«
»Tatsächlich?«
»Nein, nicht mehr. Da war hinterher nur die Gruppe«, lautete seine leise Antwort.
»Welche Gruppe? Die Stasi-Vampire?«
»Ja.«
»Schön - und weiter? Hatten diese politisch angehauchten Blutsauger auch einen Boß?«
Sobek sah ein, daß er verloren hatte, und deshalb redete er auch. Seine Vampirfreunde würden ihm kaum helfen können, er mußte sich jetzt auf die andere Seite stellen. »Er ist der Schwarze.«
»So heißt man nicht«, sagte Harry.
»Ich weiß.«
»Wie lautet sein richtiger Name.«
»Rico!«
Harry schüttelte den Kopf. »Und welchen Nachnamen hat dieser Rico?«
»Der hat keinen.«
»Hieß er nur Rico?«
»Ja.«
»Und sein Background?«
Es war eine Frage, die Sobek nicht begriff. Damit kam er nicht zurecht.
»Ich… ich verstehe nicht, was…«
Während ich nur zuhörte und meinen Kaffee trank, rückte Harry mit einer Erklärung heraus. »Ich rede von seiner Vergangenheit, von seiner Herkunft, klar?«
»Ist schon recht«, sagte Sobek. Er bat um eine Zigarette, die er von mir bekam. Er rauchte nervös.
Als Aschenbecher diente ihm eine Untertasse.
»Keiner weiß es so recht«, gab er zu.
»Rico hat auch nicht viel darüber erzählt. Ich weiß nur, daß er beim Stasi war. Da hat er eine führende Funktion gehabt, glaube ich.«
»War er Leiter der Schule?«
»Nein, hier in Dresden. Helga Stoßflug kannte ihn. Sie arbeitete ja in seiner Firma. Sie hat zuviel entdeckt, da hat er sie eben vor zehn Jahren entführt.«
»Und zur Vampirin gemacht, nicht?«
Der Tscheche nickte. Mehr wollte er nicht sagen. Wenn er atmete, schnaubte er durch die Nase.
»Wieso bist du normal?« fragte Harry.
»Sie brauchten mich als Fahrer. Ich habe sie immer gefahren. An mich ging keiner ran. Sie hatten den Befehl bekommen, mich in
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