0726 - Krematorium der Angst
sehr gut von diesem Hintergrund ab. Der war einfach nicht zu übersehen.
Er und das Krematorium gehörten zusammen.
Ob er schlank, dick, rund oder eckig war, konnte ich nicht erkennen. Er war einfach da. Er drohte wie ein mächtiger, in die Luft gestreckter Arm, als hätte ein Riese einen Zeigefinger in die Höhe gestreckt. Ich hatte angehalten, war auch ausgestiegen, um das Bild aufnehmen zu können.
Automatisch fiel mir dabei der Geruch auf. Er lag wie eine Decke über dem Gelände. Es war ein Gestank, der sich mit den widerlichen Ausdünstungen der Ghouls nicht vergleichen ließ. Er war einfach da, er schwebte, und er mußte zu dem gehören, was die vergangene Industrie einmal hinterlassen hatte.
Schwer, nach Fett und Kohle riechend, lag er über dem Gelände. Wenn ich Luft holte, hatte ich das Gefühl, in der Kehle irgendeinen Schmier zu schmecken.
Einfach eklig.
Die Entfernung von mir zu ihm war schwer zu schätzen. Jedenfalls lag er rechts von mir. Und dort, vielleicht sogar in seiner Nähe, entdeckte ich den hellen Streifen inmitten der grauen Finsternis. Die restliche Helligkeit lag viel weiter hinten, wo sich das verkleinerte Hafengelände befand, auf dem auch zu dieser Zeit noch gearbeitet wurde.
Mochten manche Kneipen noch so sehr zu Kaschemmen verkommen sein, eines jedoch stand fest.
Licht gab es überall.
Und diesen hellen Schein, den ich sah, der mußte einfach zur Kneipenbeleuchtung gehören.
Genau das war mein nächstes Ziel.
Ich setzte mich wieder in den Wagen und fuhr los. Wieder umschlang mich die Dunkelheit wie mit gewaltigen Armen. Die Räder wirbelten manchmal klebrigen Staub hoch. Ich entdeckte eine Abzweigung, die zwei stehengebliebene Mauern in der Mitte trennte.
Da rollte ich hinein.
Sie führte auch auf das Ziel zu. Ich hatte die rechte Scheibe nach unten gekurbelt, hörte jetzt auch die Geräusche, fuhr nur mit Standlicht und wollte nicht gerade wie irgendein Schaumacher an der Kneipe vorfahren, deshalb hielt ich nach einem Platz Ausschau, wo ich den Wagen gut versteckt abstellen konnte.
Er war schnell gefunden.
Hoffentlich fand ich den Wagen später noch so vor. Jedenfalls schloß ich ihn sorgfältig ab und machte mich auf den Weg. Musik, schrill und hart, fetzte mir entgegen. Dazwischen die Stimmen, zumeist die der Männer, die sich nicht im Innern der Factory befanden, sondern sich draußen aufhielten und ihr Bier oder den Schnaps direkt aus den Flaschen tranken. Viele waren angetrunken, ich sah es an ihren unkontrollierten Bewegungen. Sie brüllten sich gegenseitig an, grölten irgendwelche Lieder und stießen sich auch mal um.
Einige alte Feuerstühle standen vor dem grauen Gebäude. Das Licht brannte über dem Eingang.
Die einzelnen Buchstaben des Namens waren erleuchtet, deshalb auch der helle Schein. Den Betrunkenen wollte ich nicht gerade über den Weg laufen, deshalb ging ich ihnen aus dem Weg. Sie hatten sich schon so vollgeschüttet, daß sie mich nicht wahrnahmen. Für einen Moment blieb ich vor dem Eingang stehen, übergossen vom bleichen Licht, das aus mir ein Gespenst machte.
Ich hörte den Lärm, ich roch den Qualm, vermischt mit einem säuerlichen Schweißgeruch, und schaute in eine andere Welt, die zwar hell wirkte, aber trotzdem düster war.
Ich ging hinein.
Es war keine Kneipe im eigentlichen Sinne. Mehr ein viereckiger Saal ohne Stühle und Tische, dafür mit einem schmutzigen, rauhen, dunkelgrauen und rissigen Betonfußboden versehen, auf dem eine Unzahl von Zigarettenkippen einen Teppich bildete, der weich an meinen Schuhsohlen klebte.
Ich drückte mich nach rechts.
Wo die Lautsprecher aufgestellt waren, sah ich nicht. Aber sie brüllten eine irre und für mich schrecklich laute Musik in die Halle, daß ein Trommelfell schon leiden konnte.
Das Bier floß in Strömen. Und genau dort, wo sich diese Stromquelle befand, ging ich hin.
Da hatte man eine riesige Theke gebaut. Allerdings nicht aus Holz, sondern aus Eisenstücken, die teilweise blank, aber auch wieder verrostet waren. Es standen keine Hocker vor ihr, sie nahm die Breite des Raumes ein und war so gebaut, daß sie die zahlreichen Bierfässer auch halten konnte, die auf ihr standen. Über ihr schwebten die Sterne.
So jedenfalls sahen die Lampen aus, die ihren Schein blitzend in die Menge der Gäste schleuderten.
Und das Publikum? Na ja, jedenfalls keine Prominenz…
Ob eigene Schuld oder nicht, wer hier schluckte, der ertrank seinen Kummer, der wurde aggressiv, der griff an, der
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