0726 - Krematorium der Angst
wirst nichts, aber auch gar nichts versuchen, es sei denn, du willst sterben.«
Um seine Worte zu unterstreichen, holte er eine widerliche Waffe hervor. Es war ein Messer mit langer, glänzender Klinge. »Haben wir uns verstanden?«
Jill konnte nur nicken. Sie wollte auch nicht sprechen. Wenn sie den Mund auch nur einen Spalt öffnete, hatte sie das Gefühl, verwestes Fleisch zwischen die Lippen geschoben zu bekommen.
»Dann schließ auf.«
Jill Cooper hatte Mühe, nicht durchzudrehen. Mit ihren Nerven war sie am Ende. Sie zitterte, sie spürte den Strom der Tränen, der hochschoß, und sie merkte auch die kalte Berührung der Klinge an ihrer warmen Nackenhaut.
Die würden ernst machen, die würden keine Gnade kennen, kein Pardon, das stand fest.
»Fertig?«
»Moment.« Sie zog den Schlüssel ab.
»Dann steig ein!«
Jill setzte sich hinter das Steuer. Es waren die gleichen Bewegungen wie immer, nichts änderte sich, nichts war neu. Trotzdem verglich sie sich mit einer Person, die in ein fremdes Auto stieg.
Dort blieb sie sitzen. Sie öffnete auch die Beifahrertür, tat es automatisch, und der Mann mit dem Messer ließ erst seinen Kumpan in den Fond steigen.
Dann setzte er sich.
Jill schielte auf die Klinge. Der Hundesohn hielt das Messer so, daß die Spitze direkt auf sie wies.
Er hatte zudem seinen Hut ein wenig zurückgeschoben. Die Krempe hing nicht mehr tief, sie gab mehr von seinem Gesicht frei.
Es war eine eklige, weiße Masse, die an einigen Stellen zuckte, als hätte jemand mit dem Finger gegen die Masse gestoßen, um sie zum Vibrieren zu bringen.
Die beiden waren grausam, sie waren böse. Jill stellte sich vor, daß sie es nicht einmal mit Menschen zu tun hatte, auch wenn sie so aussahen.
Es waren für sie Monster!
»Fahr los!«
Die junge Frau nickte. Was sie anschließend tat, bekam sie kaum mit. Es waren eben die automatischen Bewegungen, die einem Autofahrer in Fleisch und Blut übergegangen waren.
Der Motor sprang sofort an.
»Fahr nur langsam und sicher«, sagte der Mann neben ihr.
»Und wohin soll ich fahren?« Jill wunderte sich, daß sie überhaupt reden konnte.
»Das wirst du noch früh genug erfahren, Süße…«
Vielleicht ist es gut, daß ich es noch nicht weiß! schoß es ihr durch den Kopf. Doch ein Gedanke ließ sich nicht wegleugnen. Sie wurde den Eindruck nicht los, ihrem eigenen Grab entgegenzufahren…
***
Ich war bei meiner Fahrerei irgendwo am Rathaus gelandet, einem der schönsten Gebäude der Stadt, hatte in einer Parklücke den Wagen abgestellt und mich erst einmal um den Stadtplan gekümmert.
Ich wollte, ich mußte in das alte Industriegelände, wo dieses verfluchte Krematorium mit dem hohen Schornstein stand.
Daß ich den Stadtplan im Licht der Innenbeleuchtung studierte, fiel auf. Jemand klopfte an die Scheibe.
Ich schaute hoch.
Es war kein Typ, der mich überfallen wollte, sondern ein uniformierter Kollege. Er gab mir das Zeichen, die Scheibe nach unten zu kurbeln. Ich tat es.
»Probleme, Mister?« fragte der Mann.
»In gewisser Hinsicht schon.«
»Kann ich helfen?«
Ich lächelte. »Wie komme ich zu diesem ehemaligen Industriegelände?«
Die Freundlichkeit des Polizisten verschwand. Sie schuf einem gewissen Mißtrauen Platz. »Was wollen Sie denn da?«
»Mich umschauen.«
»Das ist ungewöhnlich. Um diese Zeit schaut sich dort keiner mehr um, Mister.« Er ließ seine Blicke über meine Gestalt wandern, trat etwas zurück und verlangte meinen Ausweis.
»Gern, Officer.«
Ich reichte ihm die eingeschweißte Pappe aus dem Fenster. Er nahm das Dokument entgegen, las es im Licht einer Laterne und nickte, als er mir die Legitimation zurückgab.
»Sir, ich konnte nicht wissen, daß Sie ein Yard-Beamter sind…«
»Macht ja nichts. Ich jedenfalls freue mich immer, wenn die Kollegen mit offenen Augen herumlaufen.«
Er wurde wegen des Kompliments verlegen und zeigte sich hilfsbereit. Ich stieg aus. Der Polizist hielt bereits einen Kugelschreiber in der Hand. Den Stadtplan breitete ich auf dem Wagendach aus und erklärte meinem Helfer, wohin ich wollte.
»Das ist leicht zu finden.« Er räusperte sich. »Wir sind hier, Sir…« Dann zeichnete er. Ich konnte mich fast bis zu meinem Ziel auf einer Straße halten, danach wurde es eng und verwinkelt. Nicht nur das. Es sollte auch gefährlich werden, wie mir der Kollege mitteilte. »Man ist dort Fremden gegenüber sehr mißtrauisch. Die Menschen, die dort noch wohnen, sind verbittert. Sie fühlen sich im
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