073 - Der Killer, der nicht sterben konnte
antwortete der nunmehr zum Zombie gewordene Neger. »Er wird deinen Anforderungen entsprechen.«
***
Mir lief eine Gänsehaut über den Rücken. Mr. Silver hatte Augen, die so scharf wie die eines Falken waren. Ein Irrtum war also ausgeschlossen - zwischen den Aasgeiern lag ein Mensch!
Ich wandte mich an Bula, unseren Chauffeur. »Halten Sie bitte an, Rafiki.«
»Ein Mensch? Das ist unmöglich!« behauptete Bula. »Was denken Sie, wo Sie sind?«
»Bitte!« Ich legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte fest zu.
Bula brachte den Kleinbus zum Stehen.
Lance Selby stieg als erster aus. Er hob die Arme und stieß ein lautes Gebrüll aus. Die Aasgeier, die auf der dürren Schirmakazie hockten, nahmen kreischend Reißaus, aber die Vögel, die fraßen, nahmen keine Notiz von uns. Immer wieder zuckten ihre Schädel nach unten.
Mir drohte es den Magen umzudrehen.
»Warum lassen Sie die Vögel nicht in Ruhe?« fragte Bula.
Ich schaute ihn entgeistert an. »Das ist nicht Ihr Ernst, Rafiki. Sollten sie tatsächlich ungehindert einen Menschen auffressen?«
Bula blieb dabei, daß dort kein Mensch liegen konnte. Für ihn war es ein Tierkadaver, an dem sich die Aasgeier zu schaffen machten, und das war in Ordnung.
Dagegen hätten auch wir nichts gehabt. Der Natur hatten wir noch nie ins Handwerk gepfuscht, solange sie sich an die Regeln hielt. Aber daß Aasgeier einen Menschen Stück für Stück verschlangen, dagegen hatten wir etwas.
Mr. Silver und ich verließen ebenfalls den Kleinbus. Bula blieb hinter seinem Lenkrad. Er hielt uns wahrscheinlich für verrückt.
Meine Freunde und ich bildeten eine Reihe. Ich befand mich in der Mitte, links von mir ging Mr. Silver, rechts Lance Selby. Es war ein gutes Gefühl, ihn wieder an der Seite zu haben.
Mr. Silver verlangsamte seinen Schritt. Ich musterte ihn gespannt. »Ist irgend etwas faul?«
»Kann sein«, brummte der Hüne. »Aber ich bin nicht sicher.«
Lance Selby versuchte die Aasgeier mit einem neuerlichen Gebrüll und wilden Armbewegungen zu verscheuchen, doch sie flogen nicht auf.
»Seht euch diese verdammten Biester an!« sagte der Parapsychologe wütend. »Die nehmen mich überhaupt nicht ernst.«
Bula verließ nun doch auch den Kleinbus und rief uns zu, wir sollten zurückkommen, er würde gern weiterfahren.
»Eine Minute, Rafiki!« rief ich zurück. »Nur eine Minute, okay?«
Er hob die Schultern. »Na, meinetwegen.« Er entfernte sich ein paar Schritte vom Bus und setzte sich auf den Boden.
Mir schnürte es die Kehle zu, als ich endlich mit eigenen Augen den Toten sah. Die Geierschnäbel hatten ihn so sehr zugerichtet, daß man ihn nicht mehr identifizieren konnte.
Ekel würgte mich, und obwohl die Aasgeier unschuldige Kreaturen waren, die nichts weiter taten, als ihr Revier zu säubern, haßte ich sie in diesem furchtbaren Moment.
Ich hob einen morschen Ast vom Boden auf und stürmte los. Ich war entschlossen, jeden Vogel, der nicht die Flucht vor mir ergriff, zu erschlagen. Ich weiß, es war nicht richtig, so zu reagieren, aber ich konnte nicht anders. Die Nerven gingen mir beim Anblick des Toten durch.
Ich war noch schätzungsweise zehn Meter von der Leiche entfernt, da passierte etwas, das wahrscheinlich noch nie geschehen war.
Einer der Aasgeier wandte sich gegen mich, flog hoch und griff mich an!
***
Sie hieß Alia und wohnte in der Tumbo Avenue. Sie arbeitete als Animiergirl in einer drittklassigen Bar gleich um die Ecke. Es nannte sich »Safari«, war verrückt dekoriert, und hinter der abenteuerlichen Kulisse blühte der Schwarzhandel mit Fellen und Elfenbein.
Alia wurde nicht nur dafür bezahlt, daß sie nett zu den Gästen war, sondern auch, daß sie den Mund hielt, und sie machte es so wie die berühmten drei Affen: nichts hören, nichts sehen, nichts reden.
Alia war eine Angehörige des Chagassastammes, aber sie sprach so gut wie nie über ihre Herkunft. Sie hatte alle Brücken hinter sich abgebrochen und in Nairobi ein neues Leben angefangen.
Vor einem Jahr hatte sie Tebaza in der Bar kennengelernt. Einen gewalttätigen Hünen, der ihr zunächst imponierte, weil er sie vor einem Gast beschützte, der mehr von ihr haben wollte, als sie zu geben bereit gewesen war.
Sie hatte sich für seinen Beistand mit einem Kuß bedankt, ohne zu ahnen, daß dieser Kuß sie zu mehr verpflichten würde.
Aber reichte man Tebaza den kleinen Finger, wollte er die ganze Hand. So war es immer schon gewesen. Doch woher hätte Alia das wissen
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