0731 - Seelen-Tränen
gedacht hatte?
»Lebt!«, bestätigte Horan. Sonst nichts. Er lieferte keine weiteren Erklärungen ab. Seine Blicke richteten sich zum Himmel. Das Unwetter, das sich zusammenbraute, schien außergewöhnlich heftig zu werden.
Längst hatte Teri ihre Jacke wieder geschlossen, und auch die Caltaren banden ihre an Stolen erinnernden Umhänge fester. Der Wind stach wie tausend kleine Nadeln auf der Haut.
Teri legte den Kopf etwas vor, damit das Gesicht geschützt war. Ihre goldfarbenen Haare umspielten sie dabei wie ein Tuch.
Die Bäume schwankten und knarrten. Zamorra befürchtete schon, dass sie durch diese Wucht gefällt würden.
»Wir müssen einen Unterschlupf suchen«, forderte er von Horan. Der Caltar verzog unwillig das Gesicht. Er wollte auf dem schnellsten Weg zu den Transportblumen. Mit ihrer Hilfe konnten sie innerhalb kürzester Zeit dieser Welt den Rücken kehren. Sie wussten ja, wo sie die Seelen-Tränen versteckt hatten. Bei Bedarf konnten sie auf diese Welt zurückkehren und sich der Tränen bedienen.
»Das ist mir nicht Recht«, bekannte er offen. »Die Transportblumen befinden sich nur eine Tagesreise von hier entfernt.«
»Aber es ist zu gefährlich, bei Sturm durch den Wald zu gehen«, entgegnete Zamorra. »Was machst du, wenn die Bäume Umfallen? Abgesehen davon, dass du die Richtung verlieren könntest…«
»Das wird nicht geschehen«, unterbrach Horan. Er grinste schon wieder überheblich.
Die Lasttiere wurden ängstlich und ungeduldig. Sie spürten das herannahende Unwetter. Das erste Tier keilte schon aus und begann zu zittern.
»Festhalten, verdammt noch mal!«, brüllte Horan. Da hatte sich das Lasttier schon losgerissen und rannte davon. Zwei Caltaren versuchten verzweifelt, das Tier einzuholen, aber sie hatten keine Chance.
Die nächste Böe schleuderte die Caltaren durcheinander. Zamorra und Teri hatten Mühe, der Urgewalt standzuhalten. Während die Caltaren versuchten, aufzustehen und zusammenzubleiben, gab Teri ein Zeichen mit der Hand.
Zamorra verstand sofort: Abhauen, aber schnell!
Er blickte sich um. Horan war damit beschäftigt, seine Horde zusammenzuhalten. Er hatte im Augenblick keine Augen für sie.
»Los gehts!«, zischte Teri Rheken. Sie rannte vor Zamorra den Abhang hinab. Der Meister des Übersinnlichen folgte zwei Sekunden später.
Ein durch den Sturm abgebrochener Ast flog durch die Luft und traf Teri im Rücken.
Die Silbermond-Druidin wurde auf den Boden geschleudert. Sie rollte den Abhang hinab, ohne eine Möglichkeit zu finden, sich festhalten zu können.
In diesem Augenblick griffen Wassili und seine Leute an.
***
Verdammt, woher kommt dieser Sturm? Luc konnte sich keinen Reim darauf machen. Ein normales Unwetter verlief nicht in dieser Art.
Der Sturm zerrte an seinen Kräften. Er musste seine Konzentration verstärken, damit die Beeinflussung der Jakuten bestehen blieb. Da er auf die Parafallen aufpassen musste, getraute er sich nicht, die Illusion auszubauen.
Er schlang die Arme um seinen Körper. Es war empfindlich kalt geworden, sogar für ihn.
Ausgerechnet jetzt begann es auch noch zu regnen.
Luc fluchte über die widrigen Umstände.
»Hätte ich mich bloß nicht mit in den Vergangenheitsstrom eingefädelt«, murmelte er.
Merlin und Asmodis hatten anscheinend wirklich nichts davon gemerkt, dass er als blinder Passagier mit ›an Bord‹ gewesen war.
»Wenigstens etwas«, murmelte er.
Er versuchte verzweifelt, die Parafallen geistig zu erfassen. Er wusste nicht, wie viele dieser Magiekiller unterwegs waren. Die Gedanken der Caltaren ließen sich schwer erfassen. Eine unbekannte Mauer hinderte ihn daran, bei den Humanoiden telepathisch weiter vorzudringen.
Die Caltaren verwendeten selbst Magie. Doch diese war so total anders als die schwarze oder weiße Magie, die Luc kannte. Er konnte nicht wissen, dass sie ihre Magie in der Vergangenheit und durch den Schutz der Parafallen nicht so einsetzen konnten, wie sie es gewohnt waren.
Es gab tatsächlich Unterschiede zu den beiden Grundmagiearten, aber diese Differenzen hingen mit den Seelen-Tränen zusammen.
»Reiß dich zusammen!«, schimpfte Luc mit sich selbst. Seine Gedankenfühler streckten sich wieder zu den Jakuten aus. Diese waren jetzt ganz nahe bei der Caltarenhorde.
Greift an, befahl er. Fangt ihre Anführer und bringt sie mir.
***
Teri Rheken rollte den Abhang hinab.
Die Silbermond-Druidin versuchte ebenso verzweifelt wie erfolglos, sich an den Büschen und Steinen festzuhalten.
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