0736 - Mosaik des Todes
kleine Wesen. Das lag nicht nur an den harten, dunklen Augen oder am spöttisch verzogenen Mund. Auch nicht an der Körperhaltung, die aussagte, dass sich die Dame allen anderen überlegen fühlte.
Sicher, Seanzaara sah absolut menschlich aus, und dabei sehr gut aussehend. Aber auch das war es nicht. Zamorra spürte schon auf den ersten Blick den Durchsetzungswillen dieser Person.
»Was ICH will, geschieht!« Es schien, als habe die Frau sich diese Worte auf die Stirn tätowiert.
»Und das ist Seanzaara«, stellte Kroan die Hexe vor.
Zamorra war erstaunt. So hatte er sich diese Frau nach den Berichten Kroans nicht vorgestellt. Sie war unter Garantie gefährlicher, als er annahm.
Als hätte Seanzaara seine Gedanken gelesen, verlangte sie - ohne die Ankömmlinge zu begrüßen - zu wissen: »Was wollt ihr auf K'oandar? Fremde haben hier nichts verloren!«
***
Nicole Duval las zum wiederholten Mal den Zettel, den sie bei ihrer Rückkehr vorfand.
»Hallo Nici, wir waren in Schottland. Haben Spur von D'Halas Seelen-Tränen gefunden. Bei der Zeitschau sahen wir Luc Avenge. Wissen noch nicht, wie alles zusammenhängt. Versuchen, mittels Regenbogenblumen nach K'oandar zu reisen. Sehen uns nur kurz dort um. Wollen bald wieder da sein. Zamorra & Teri«
Sie schüttelte den Kopf.
»Na prächtig«, murmelte sie verdrossen. »Kaum muss ich einige Stunden weg, schon sind die beiden Vögel ausgeflogen. Beim Dotterbart der Panzerhornschrexe, die hätten auch noch auf mich warten können.«
Angst hatte sie weder um Zamorra noch um Teri. Die beiden waren erfahren genug, um allen möglichen Gefahren zu trotzen. Nicole war eher enttäuscht, dass sie bei dieser Aktion nicht dabei war.
»Man kann eben nicht alles haben«, seufzte sie.
Dafür würde es ein sehr ruhiger Abend werden. Lady Patricia Saris, ihr Sohn Rhett sowie der Jungdrache Fooly befanden sich bis Übermorgen nicht in Château Montagne. Aber ohne Zamorra konnte sie so schlecht einschlafen.
So viel Ruhe bin ich überhaupt nicht gewohnt, dachte sie belustigt.
Sie holte eine Flasche Rotwein und ein Glas und machte es sich auf der Couch bequem.
Den Inhalt des ersten Glases vernichtete sie ziemlich schnell. Beim zweiten Glas schaltete sie einen Gang langsamer.
»Moment mal«, überlegte sie laut. Schließlich wollte sie sich mit einem intelligenten Menschen unterhalten. »Die haben eine Spur von diesen Tränentieren. Auf der anderen Seite sucht unser lieber Freund Merlin nach diesen Dingern. Aber für was er die benötigt, sagte der alte Geheimniskrämer nicht. So, wie immer.«
Nicole kratzte sich am Hinterkopf.
»Die haben nicht geschrieben, ob sie Hilfe benötigen. Aber auch nicht, ob ich nachfolgen soll.«
Sie fuhr sich mit der Hand über die Nase und das Kinn. Dann schenkte sie sich das dritte Glas ein. Langsam wurde sie doch kribbelig.
Für das dritte Glas brauchte sie kaum länger als für das erste. Zu warten lag ihr überhaupt nicht.
»Bei Merlins hohlem Backenzahn. Soll sich der alte Knabe doch selbst um seinen Mist kümmern!«
Kurz darauf stand sie doch zwischen den Regenbogenblumen. Vor Jahren hatten sie von Merlin die Erlaubnis bekommen, auch in Merlins unsichtbarer Burg Caermardhin Regenbogenblumen anzupflanzen.
Eine Sekunde später befand sie sich in der Festung.
Sie hatte nicht gewusst, ob diese Verbindung zur Zeit funktionierte. Hin und wieder machte der alte Zauberer sie dicht. Aber Nicole wollte zumindest ausprobieren, ob sie hierher kam.
Die inneren Abmessungen Caermardhins übertrafen die äußeren bei weitem. Merlin hatte seine Burg in eine andere Dimension hineingebaut. Das auf einem Berggipfel in Wales stehende Bauwerk war für Menschenaugen unsichtbar. Man konnte sogar den Gipfel erklimmen und sich darauf bewegen, ohne die Burg zu erreichen. Nur wenn Merlin es gestattete und ein Tor öffnete, konnte sie betreten werden, ansonsten schien es sie nicht zu geben.
Merlin selbst schien es hier ebenfalls nicht zu geben. Nun, dann würde sie bestimmt in der Bildkugel im Saal des Wissens eine Spur von ihm finden.
Am Eingang zum Saal des Wissens trat ihr jemand entgegen, den sie kannte, dem sie aber nur sehr ungern begegnete.
Nicole hatte nicht gedacht, dass Asmodis sie empfangen würde, Merlins dunkler Bruder. Er trat wieder in der Gestalt von Sid Amos auf.
»Was willst du hier?«, wollte der ehemalige Fürst der Finsternis wissen.
»Merlin Bescheid geben, dass eine Spur zu den Seelen-Tränen besteht«, antwortete Nicole Duval.
»Da
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