0737 - Asha Devis Höllenfahrt
zeigen. Schließlich war sie ja ein erklärter Liebling der Götter…
Vielleicht hatten sich die himmlischen Herrscher Indiens ja von ihr abgewandt, weil sie versagt hatte!
Asha Devi schüttelte diesen Gedanken ab, kaum dass er ihr gekommen war.
Ganz im Gegenteil!, sagte sich die Inspectorin. Die Götter werden eine ganz besondere Aufgabe für mich vorgesehen haben. Vielleicht soll ich in diesen dämonischen Gefilden ja einmal richtig aufräumen. Ja, so wird es sein!
Asha Devi straffte den Körper, der wie ihr eigener aussah und es doch nicht war.
Die Dämonen schleppten ihre Sänfte nun durch eine andere Szenerie.
Der Untergrund bestand plötzlich aus Gewürm, das irgendwie an faulige Spagetti erinnerte. Dämonisches Leben steckte in diesen Kreaturen, die sich millionenfach übereinander schoben und gegenseitig auffraßen. Und ihr Gestank war kaum auszuhalten.
Zwischen diesen bleichen Würmern, deren Leiber bis zum Horizont reichten, ragten einzelne dunkle Felsen auf. Aus irgendeinem Grund schienen sich die kriechenden Minidämonen auf dem Stein nicht halten zu können.
Als die Sänfte nahe an einer der Felsnasen vorbeigetragen wurde, bemerkte Asha, dass diese rot glühend vor Hitze waren. Das spürte man allerdings erst, wenn man sich ihnen stark näherte.
Die Inspectorin sah nun auch die geschundenen Missetäter, die in diesem Höllenabschnitt ihr Dasein fristeten.
Sie standen auf den glühend heißen Felsen. Dort hielten sie es natürlich nicht lange aus. Also sprangen sie hinab in das Meer der stinkenden Dämonenwürmer. Doch von Ekel geschüttelt retteten sie sich wieder auf die heißen Steine - um gleich darauf wieder hinabzuspringen.
Und so ging es weiter bis in alle Ewigkeit.
»Dort wartet der große Ravana!«, sagte einer der Rakshasas, die Asha Devi begleiteten.
Die Inspectorin blickte auf. Vor ihr erhob sich ein schwarzer Felsen, der größer war als alle anderen zuvor in diesem Teil der Höllen.
Er war grob zu einer Art Thronsessel behauen worden.
Und darauf hockte der böse König Ravana, der Herr über alle Rakshasas von Indien.
Ravana sah genauso aus, wie er in den klassischen Gesängen der indischen Literatur beschrieben wurde.
Auf seinen mächtigen Schultern thronten zehn Köpfe mit furchtbaren Säbelzähnen und glühenden Augen. In seinen zwanzig Armen hielt er bluttriefende Waffen. Und sein Körper erinnerte eher an eine Felswand als an den Leib irgendeines Tieres oder Menschen.
»Asha Devi!« Ravanas Stimme klang wie das Donnergrollen über den Gipfeln des Himalaja. »Willkommen in meinem Reich!«
»Was willst du von mir, du hässliche Kröte?«
Die Inspectorin versuchte nicht, ihre Abscheu zu verbergen. Sie hatte Dämonen immer schon gehasst. Dämonen aller Art. Sie fand es abscheulich, wenn sie von Menschen Besitz ergriffen und sie ins Unglück stürzten. Manchmal glaubte sie, dass ihr eigener Vater von Schwarzblütigen besessen gewesen sein musste. Damals, als er…
Sie zwang sich, nicht weiterzudenken.
Doch Ravana hatte schon erkannt, was mit ihr los war. Das Scheusal konnte offenbar Gedanken lesen!
»Du denkst an deinen lieben Vater!«, rief Ravana zynisch. »Ja, dein Vater ist ein götterfürchtiger Mann! Er wollte den Mächtigen ein Opfer bringen, erinnerst du dich? Das Liebste, was er hatte…«
»Hör auf, du Bastard!«, fauchte Asha Devi. Sie versuchte, die Tränen zurückzuhalten. »Oder ich…«
»Oder was? Asha Devi, du verkennst meine guten Absichten! Sieh nur, wie dein armer Vater um dich trauert…«
Während der Dämon sprach, machte er mit einem seiner Arme ein paar magische Bewegungen. Der rötliche Himmel hinter ihm verschwamm. Ein Panoramabild wurde sichtbar, inklusive Geräusche und Gerüche. .
Asha Devi schluckte trocken. Es gefiel ihr überhaupt nicht, was sie dort sah.
Nämlich sich selbst als Leiche !
Die tote Inspectorin lag in einem offenen Sarg. Das Illusionsbild zeigte, dass sie ihre komplette Ausgehuniform trug. Und neben der Totenkiste stand ihr Vater.
Devi senior vergoss bittere Tränen. Nun konnte die Inspectorin in der Hölle sogar seine Stimme hören.
»Meine kleine Asha! Meine einzige Tochter…«
»Spar dir deine Krokodilstränen für deine Wähler, du Mistkerl!«, rief Asha Devi. Obwohl ihr Vater sie natürlich nicht hören konnte.
Die Dämonenjägerin fühlte sich durch die Trauer ihres Vaters verhöhnt.
Erstens hatte er sie vor dreißig Jahren selbst umbringen wollen, um sie den Göttern zu opfern. Und zweitens war Asha
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