0739 - Varneys Rache
Name des Vampirs gleich bekannt vorgekommen.
»Genau«, sagte Bogdan. »So zog die Horde immer mehr Aufmerksamkeit auf sich. Auch die der so genannten Hüter des Guten.«
Zamorra schluckte, sagte aber nichts. Immerhin gehörten Nicole und er auch zu diesen Hütern des Guten. Er ließ den ehemaligen Dorfschullehrer fortfahren.
»Einem Überfall auf ihre Kommune in London konnten sie nur durch sofortige Flucht aus der Stadt entgehen. Irgendwann hatten sie genug von diesem Leben. Sie suchten nach einem Platz, an den sie sich zurückziehen konnten.«
»Und den fanden sie hier«, mutmaßte Zamorra.
»Sie schlossen mit uns einen Vertrag.«
»Einen Vertrag?«, echote Nicole ungläubig.
»So nennt man es wohl«, sagte Bogdan. »Sie bezogen die leer stehende Burg - sie hatte einst Varneys Familie gehört -, und sie ernährten sich von uns. Aber sie töteten nicht. Wenn sie unser Blut tranken, dann immer mit dem Einverständnis der Opfer.«
»So etwas habe ich noch nie gehört«, sagte Zamorra fassungslos.
»Ich gebe zu, es klingt etwas seltsam«, räumte Bogdan ein und leerte sein Bier. »Heute kommt es mir auch irreal vor. Aber damals war es eine andere Zeit. Für uns war es normal. Als ich geboren wurde, da waren sie schon da. Wir Jungen waren fasziniert von der Ausstrahlung der Vampire, die so anders war als alles andere, was wir kannten. Viele von uns bettelten fast darum, uns von Varney oder einem seiner schönen Freunde beißen zu lassen.«
»Und selbst zu Vampiren zu werden?«, mutmaßte Nicole.
»Nur den wenigsten wurde diese Ehre zuteil. Allein der Biss war nicht ansteckend. Man musste am Blutverlust sterben, um wieder geboren zu werden«
»Trotzdem hat es sicher nicht jedem im Dorf gefallen«, vermutete Zamorra.
»Da können Sie drauf wetten. Aber das Dorf profitierte von ihnen, denn die Vampire waren sehr reich, und Geld bedeutete ihnen nicht viel. Sie waren sehr freigiebig damit, und so hatten die Eifersüchtigen keine Chance. Bis die neuen Herren kamen…«
»Die Deutschen«, präzisierte Nicole.
»Die Deutschen mussten Rumänien nicht überfallen. Wir kollaborierten von ganz allein. Und auch im Dorf glaubten viele, dass dies der einzige Weg sei, unbeschadet über den Krieg zu kommen. Und wir opferten den neuen Freunden unsere alten.«
Bogdans Stimme zittere leicht. Mit unsicheren Fingern zündete er sich eine Zigarette an.
»Jetzt hatten die Neider ihre große Stunde. Niemand hielt sie auf, als eine Gruppe Männer Varney und seine Horde in eine Falle lockten. Alle wussten es, aber keiner hielt sie auf.«
Der alte Mann zog in seine Erinnerungen versunken an seiner Zigarette und verfiel in ein langes Schweigen. Dann sagte er leise: »Der Mann, der die Gruppe anführte, wurde auf Geheiß der Deutschen sofort als Bürgermeister eingesetzt. Er bekleidet dieses Amt bis heute. Sein Name ist Constantin Niculescu.«
Zamorra dachte an das, was der alte Mann über die im Dorf gesagt hatte, die Karriere gemacht hatten.
»Verrat zahlt sich aus«, erklärte Bogdan bitter und drückte seine nur halb gerauchte Zigarette aus. »Aber ich werde nie vergessen, was Varney gesagt hat, als sie mit dicken Stahlseilen gefesselt auf dem Marktplatz den neuen Machthabern übergeben wurden. ›Ihr werdet brennen‹, rief er uns zu. ›Ihr alle werdet in den Flammen der Hölle brennen, wenn ich zurückkomme!‹.«
***
Der Bürgermeister von Kronsberg wohnte in einem hübschen zweistöckigen Haus am Dorfrand, das äußerlich in einem weit besseren Zustand war als die meisten anderen Gebäude, die Zamorra Rier bisher gesehen hatte. Er lebte allein.
Nach allem, was der alte Bogdan erzählt hatte, war Constantin Niculescu der klassische Wendehals. Er hatte den Nazis ebenso gedient wie Ceauçescu und war auch nach dem Zusammenbruch des Regimes im Amt geblieben.
Während das einst reiche Dorf unter kommunistischer Herrschaft in Grund und Boden gewirtschaftet worden war, hatte sich der Bürgermeister einen Wohlstand gesichert, von dem die meisten seiner Schäfchen bis heute nur träumen konnten. Allein der nagelneue schwarze Mercedes vor dem Haus sprach Bände. Zamorra hatte nur wenige Autos im Dorf gesehen, und die meisten waren alt und aus osteuropäischer Produktion.
Es war schon spät, aber Zamorra legte nicht viel Wert auf Etikette. Varney würde es auch nicht tun, und wenn der Vampir wirklich Rache nehmen wollte, war der Bürgermeister sein erstes Ziel. Nicole war im Gasthof geblieben. Es hatte keinen Sinn, den
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