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074 - Der Sohn des Zyklopen

074 - Der Sohn des Zyklopen

Titel: 074 - Der Sohn des Zyklopen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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trug.
    „Eine Art Amulett", sagte Dorian mit monotoner, einschläfernder Stimme, während er die gnostische Gemme pendeln ließ. „Sehen Sie es sich gut an, Senor Aranaz"
    Der Mann folgte den Pendelbewegungen der Gemme. In wenigen Augenblicken würde er hypnotisiert sein, davon war Dorian überzeugt. Die Gemme verfehlte, außer bei Besessenen, nur selten ihre Wirkung.
    Doch der Dämonenkiller mußte erkennen, daß auch in diesem Fall nicht alles nach Wunsch ging. Irgend etwas stimmte nicht. Zwar machte Aranaz bereits einen recht abwesenden Eindruck, ganz so, als sei er der Trance nahe, aber Dorian fühlte sich auf einmal so seltsam, als hätte die hypnotisierende Kraft der Gemme auch auf ihn gewirkt.
    Der Dämonenkiller starrte auf den pendelnden Halbedelstein mit dem herausgearbeiteten Uroboros, der Schlange, die sich in den eigenen Schwanz biß. Und auf einmal sah er statt des Uroboros ein einzelnes Auge. Es starrte ihn durchdringend an. Etwas Kaltes schlich in den Dämonenkiller. ließ ihn erstarren. Etwas bewegte seine Glieder.
    Die Gemme entfiel seiner kraftlosen Hand. Er streckte beide Arme aus, nahm das Gewehr an sich, entsicherte es und steckte sich den Kolben zwischen die Knie, so daß der Lauf auf sein Gesicht wies. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte der Dämonenkiller in die Gewehrmündung. Obwohl er sich dagegen sträubte, wurde er gezwungen, sich nach unten zu beugen, bis er den Abzug mit den Händen erreichte. Dabei war ihm der Lauf jedoch im Wege. Deshalb schob er ihn sich einfach in den Mund.
    Jetzt abdrücken! kam ein lautloser Befehl.
    Dorians Finger versuchten, den Abzug herunterzudrücken.
    Himmel, ich werde mich selbst umbringen! durchfuhr es ihn.
    Ein Schrei aus weiter Ferne.
    Nein!
    Der Bann wich urplötzlich von Dorian. Er straffte sich, hob seine Gemme vom Boden auf, preßte sie zwischen die Zähne und biß mit aller Kraft darauf, bis er sicher war, daß die fremde Macht keinen Einfluß mehr auf ihn hatte. Dann verstaute er sie in der Tasche seiner Jacke.
    Aranaz hatte ebenfalls wieder zu sich selbst gefunden. Er blickte wie benommen von Dorian auf das Gewehr in seiner Hand. Dorian händigte es ihm aus.
    „Werden Sie kommen, Senor Aranaz?" fragte Dorian, als sei überhaupt nichts vorgefallen.
    „Ja, ich nehme die Einladung an", sagte der Mann.
    „Gut. Dann erwarten wir Sie morgen um acht Uhr morgens bei der Bidassoa-Mündung."
    Dorian drehte sich abrupt um. Er wollte machen, daß er schnell von hier fortkam.

    „Ein Fremder kommt den Weg herauf', murmelte Tirso.
    Sein Auge war starr ins Leere gerichtet. Er hielt den hermetischen Kreisel zwischen seinen tolpatschigen Kinderhändchen und tastete mit den Fingern über die unzähligen Vertiefungen. Dazu tanzte Dula in seltsamem Rhythmus und stieß leise fremdartige Laute aus.
    Tirso fuhr mit entrückter Stimme fort: „Der Fremde klopft. Vater öffnet ihm. Der Mann holt etwas unter seinem Hemd hervor. Es blendet mich. Er will Vater etwas Böses antun. Er ist mein Feind." „Dann töte ihn!" befahl Dula. Ihre Augen glühten rot in der Dunkelheit. „Töte! Töte! Töte! Nur so kannst du dich schützen."
    Tirso begann am ganzen Körper zu zittern. Das Beben seiner Hände übertrug sich auf den hermetischen Kreisel, der zu vibrieren begann. Ein hoher singender Ton erklang, der .immer mehr anschwoll, bis er die menschliche Gehörschwelle überschritt. Tirso konnte ihn aber immer noch hören. Es klang wie eine Todesmelodie in seinem Geist. Sie verkündete Tod, Verderben und grenzenloses Leid.
    Die Melodie schlug ihn in ihren Bann. Dula tanzte dazu. Sie gab fauchende Laute von sich, die ihn anfeuerten.
    Tirso spürte, wie eine seltsame Wandlung mit ihm vorging. Er wußte schon seit einiger Zeit, daß er Dinge tun konnte, zu denen seine Eltern nicht imstande gewesen waren. Aber zum erstenmal wurde er sich seiner Macht bewußt.
    Er blickte durch die Wände hindurch zum Eingang des Hauses, wo der Fremde sich gerade den Lauf des Gewehres in den Mund schob. Und Tirso war sich bewußt, daß er es war, der den Fremden dazu veranlaßte, obwohl er es eigentlich nicht tun wollte. Er tat es auf Dulas Geheiß. Dula und der Kreisel beeinflußten ihn. Warum aber trieb er den Fremden dazu, so etwas zu tun - sich den Gewehrlauf in die Mundhöhle zu stecken? Warum brachte er seine Hände dazu, das Gewehr hinunterzuturnen, nach dem Abzug zu tasten?
    „Töte ihn! Töte ihn! Du kannst es. Er ist dein Feind. Er will dich vernichten. Komm ihm zuvor!“

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