074 - Der Sohn des Zyklopen
schlug hilflos um sich.
Dula, wirst du das lassen! dachte Tirso verzweifelt. Ihm war, als verspürte er selbst den Schmerz, den Dulas Fangzähne seinem Vater zufügten.
Dula gehorchte. Sie ließ von seinem Vater ab und verkroch sich unter dem Bett.
Tirsos Vater hatte sie nicht entdeckt. Er preßte sich die Hände in den schmerzenden Nacken, griff dann wir blind nach dem Kerzenhalter und verließ das Zimmer.
Tirso weinte. Als Dula zu ihm auf die Bettdecke kletterte und ihn spöttisch betrachtete, sagte er: „So etwas darfst du nie wieder tun, Dula. Vergehe dich nie wieder an meinen Eltern!"
Die Fee seufzte. „Meinetwegen. Aber eines sage ich dir. Wenn sich dieser stinkende Fettsack noch mal an dir vergreift, kann ich für nichts garantieren.“
Tirso hörte nicht mehr hin. Sein Vater tat ihm leid, und es war alles nur seine Schuld. Wenn er das Geschehene schon nicht rückgängig machen konnte, wollte er wenigstens um Vergebung bitten.
Er faltete die Hände zum Gebet und begann, das Vaterunser auf baskisch aufzusagen.
„Gure Aita zeru-an aiz-en-a, santif ika bedi hire izen-a, ethor..."
„Still! Verdammt, höre mit dem Unsinn auf!" kreischte Dula.
Tirso verstummte betroffen.
,.Aber ich wollte doch nur beten", verteidigte er sich.
„Eben." Dulas Augen leuchteten in der Dunkelheit rot. Sie atmete stoßweise. „Es war höchste Zeit, sich um dich zu kümmern. Wer weiß, welchen Weg du sonst noch gegangen wärst. Von nun an nehme ich deine Erziehung in die Hand."
Tirso verstand das Verhalten der Fee nicht, aber er widersprach ihr nicht, um sie nicht zu vertreiben. Dula war der einzige Lichtschimmer in seiner engen, trostlosen und düsteren Welt. Er wollte sie nicht verlieren.
Dorian wollte den Arm abschütteln, der an seiner Schulter rüttelte, doch der Griff was fest und unerbittlich.
„Senor Hunter, Sie wollten doch einige Einladungen für die Wildtaubenjagd persönlich überbringen", hörte er Pedro ungehalten sagen.
„Ja, aber nicht mitten in der Nacht", murrte Dorian.
„Es ist gleich sieben Uhr morgens", widersprach Pedro, „und Eiztari Beltza ist gerade eingetroffen. Er will Ihnen letzte Instruktionen geben."
Da war Dorian hellwach.
Pedro verließ lachend das Zimmer.
Als Dorian ins Wohnzimmer kam, sah er sich drei düsteren Gestalten gegenüber: Dem Sektenführer Eiztari Beltza und seinen zwei Begleitern. Aber der Geruch des starken Kaffees und des Schinkens und der Eier versöhnte Dorian. Maria, Pedros Frau, versorgte ihn mit englischer Kost, soweit das in ihren Möglichkeiten lag. Sie hatten sich sogar einen bescheidenen Vorrat an Bourbon-Whiskey zugelegt, doch Player's hatten sie nicht auftreiben können. So mußte sich Dorian mit den starken spanischen Zigaretten begnügen, deren Tabak so schwarz war wie Hekates Seele.
Maria nickte ihm freundlich zu, während sie das Frühstück auf den Tisch stellte, und schnatterte dann mit den Besuchern munter in baskisch weiter. Dorian empfand das keineswegs als Unhöflichkeit. Es ärgerte ihn nur, daß er in seinen früheren Leben nie als Baske zur Welt gekommen war. Dann hätte er wenigstens ihren Dialekt beherrscht. Die baskische Sprache jetzt noch zu erlernen - daran war nicht einmal im Traume zu denken, obwohl er Spanisch fließend sprach. Baskisch war eine so schwierige Sprache, daß Dorian sogar die Legende glauben wollte, die ihm Pedro letzte Nacht erzählt hatte: Man sagte, daß der Teufel selbst, als er sich einmal sieben Jahre im Baskenland aufgehalten hatte, nicht mehr von dieser Sprache gelernt hätte, als ja und nein zu sagen.
„Ich habe die Wildtaubenjagd für morgen organisiert", sagte der Baskenführer Eiztari Beltza statt einer Begrüßung. Er blickte den Dämonenkiller durchdringend an, als er fragte: „Und Sie wollen es sich nicht nehmen lassen, bei einigen Leuten vorzusprechen und die Einladungen persönlich zu übergeben?"
„Soviel ich an einem Tag schaffen kann", antwortete Dorian, ohne sich in seinem Frühstück stören zu lassen. „Haben Sie die Namen und Adressen aller Verdächtigen?"
„Jeder, der nicht unserer Sekte angehört, könnte das Dämonenkind verstecken", erklärte der Baskenführer. „Aber ich habe Ihnen die Adressen von zwanzig Familien zusammengestellt, die besonders verdächtig sind. Entweder sie sind erst vor kurzem ins Baztan-Tal gezogen, oder sie wurden auf Akelarres beobachtet."
Akelarres war das baskische Wort für Bockswiesen, wo sich Männer und Frauen zu Satansmessen trafen. Der Schwarze
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