0741 - Im Haus der Ghouls
Nase.
Aber auch etwas anderes roch ich.
Ein muffiger, ein düsterer Geruch, der auch aus einem feuchten Keller hätte stammen können.
Der Keller allerdings lag unter mir, er war nicht einmal einsehbar. Der Geruch mußte eine andere Quelle haben.
Die Wand etwa?
Möglich - komischerweise fielen mir dabei die drei verschwundenen Männer ein. In der Wand steckten sie bestimmt nicht. Wo dann? Verschwunden waren sie, und zwar mit Haut und Haaren.
Als ich daran dachte, überkam mich eine Gänsehaut, und ich war gespannt darauf, welche Überraschungen mir das Haus noch präsentieren würde…
***
Agatha Sarrazin blitzte ihre Schwester an. Auf einmal war sie nicht mehr müde, sie wirkte auch nicht alt, sondern war hellwach. »Na, was hat er gesagt?«
Agnetha gab zunächst keine Antwort. Sie verschwand in der Küche, wo sie den Schrank öffnete, Gin in zwei Gläser gluckern ließ und damit zu Agatha zurückkehrte.
»Er tat ahnungslos.« Sie gab ein Glas ab.
»Aber…«
Agnetha trank. Da sie nichts sagte, nahm auch ihre Schwester einen langen Zug. »Laß dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Ich merke, daß dich etwas gestört hat.«
»Was denn?«
Agnetha schaute aus dem Fenster. Sie war dicht vor der Scheibe stehengeblieben. »Eigentlich nichts. Es hätte mich nicht gestört, und trotzdem ist es so gewesen.«
»Genauer.«
»Es ging zu glatt.«
Agatha atmete tief aus. Dann trank sie und schmatzte dabei. »Es ging also zu glatt«, wiederholte sie flüsternd. »Kannst du da nicht noch genauer werden, Schwesterherz?«
»Kaum. Er war so smart. Er tat jedenfalls, als hätte er von nichts gewußt. Ich sprach mit ihm über die Entmietung, auch da war er ahnungslos und hat mich nur großartig angeschaut. Alles andere konntest du vergessen. Ich habe… ich habe mich überhaupt nicht wohl in seiner Nähe gefühlt. Ich mußte mich sehr beherrschen.«
»Wobei?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
Agatha überlegte und hielt den Blick gesenkt, als wären ihre Füße etwas Besonderes. »Wenn du so etwas sagst, könnte es dann sein, daß du ihn als einen Feind ansiehst?«
»So ungefähr.«
»Und weiter?«
»Ich weiß nicht.«
»Du hast nichts gespürt?«
Agnetha schüttelte den Kopf, was allerdings nicht überzeugend aussah. »Ich glaube ihm nicht, Schwester, das ist alles. Er hat mir viel erzählt. Er redete, er gab mir die entsprechenden Antworten. Ich konnte nichts widerlegen oder das Gegenteil beweisen, das war mir alles unmöglich.«
Die ältere Frau fragte jetzt direkt. »Ist er denn ein Spitzel gewesen? Hast du den Eindruck von ihm gehabt?«
Agnetha leerte ihr Glas. Sie kaute noch auf den Ginresten in ihrem Mund herum. »Ein Spitzel«, murmelte sie. »Das weiß ich nicht. Er gehört nicht zu Young. Es ist keiner von seinen Leuten, da bin ich mir fast sicher. Er ist trotzdem nicht unser Freund. Ich hatte vorgehabt, mich ihm zu nähern, das war mir nicht möglich. Irgend etwas hielt mich davon ab, was ich nicht näher beschreiben kann.«
»Was war es denn?«
»Kann ich nicht definieren.«
»Versuch es!« drängte Agatha.
»Es war die Aura! Seine Aura. Ich sah sie als ungemein gefährlich an. Ich hatte plötzlich Angst.«
Als dieser Satz heraus war, reagierte Agatha zuerst nicht. Dann aber lachte sie laut auf. »Angst, Schwesterherz? Du und Angst? Nein, das kann ich nicht glauben. Das ist… das ist einfach unmöglich. Du brauchst doch keine Angst zu haben.«
»Wenn du meinst.«
»Aber du hattest sie.«
»Das stimmt.«
»Wer jagt dir denn oder uns Angst ein?«
Scharf drehte sich die jüngere Frau herum. Sie wollte Agatha direkt anschauen können. »Du weißt schon, wer uns Angst einjagen kann« zischelte sie. »Wir sind nicht sehr gelitten. Es gibt Feinde. Selbst bei unseren eigenen Brüdern und Schwestern. Man mag uns nicht. Aber das brauche ich dir nicht zu sagen.«
»Glaubst du denn, daß er einer von uns ist?«
»Kann sein.« Dann schüttelte Agnetha den Kopf. »Nein, er ist keiner von uns. Er steht auf der anderen Seite. Ich habe seine Aura gespürt, und ich bekam Angst. Seine Nähe bereitete mir ein schreckliches Unwohlsein. Er war der Feind, der böse Töter, der Vernichter. Ich habe es deutlich gespürt.«
Agatha überlegte. »Hat er sich dir irgendwie zu erkennen gegeben?«
»Überhaupt nicht. Er verhielt sich freundlich, naiv und auch staunend. Aber da steckt mehr dahinter, Schwester. Ich fühle es. Ich fühle auch, daß wir einen Feind bekommen haben. Drei Entmieter sind
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