0741 - Im Haus der Ghouls
die schmutzigen Fenster ebenso sah wie die graue Außenhaut. Auf den vorstehenden Gauben hatten es sich einige Vögel bequem gemacht. Sie waren wohl die einzigen, die das Haus noch mochten.
Die Tür drückte er auf.
Für einen Moment blieb er stehen, weil er sich vor der Düsternis des Flurs erschreckt hatte. Da war nichts Helles oder Freundliches. Der Flur kam ihm vor wie ein schmutziger Mantel, der sich um seine Kleidung drehen wollte.
Einige zögernde Schritte ging er nach vorn. Schon jetzt fiel ihm der Geruch auf.
Was ihm da entgegenwehte, war einfach unbeschreiblich und auch widerlich. Er konnte sich nicht vorstellen, aus was sich der Geruch zusammensetzte. Da war einiges dabei, das nicht so leicht identifiziert werden konnte.
Es stank nach alten Tüchern, nach brackigem Wasser, nach Schimmel - aber auch noch nach etwas anderem, das den eigentlichen Geruch schon überlagerte.
Verfaulte hier etwas?
Altes Fleisch, das auch von einem Kadaver hätte stammen können, der irgendwo in der Ecke seinen Platz gefunden hatte und um den sich niemand kümmerte.
In dieser verdammten Bude war eben alles möglich.
Er schüttelte sich, als er weiterging. Es wurde Zeit, daß man den Bau hier abriß.
Simon F. Young wußte, wo die beiden Sarrazins lebten. Er mußte sich nach links wenden und hörte, wie die Sohlen über den Boden schleiften. Geputzt wurde hier so gut wie nie.
Die Wände stanken ebenso wie der Fußboden. Selbst von der Decke und der Treppe strömten die Gerüche auf ihn nieder.
Dann stand er vor der Tür. Er klopfte.
Das würde er nie wieder so tun, dachte er und ärgerte sich gleichzeitig, daß ihn keine Stimme zum Eintreten bat.
Youngs zeigte sich auch hier als Mann schneller Entschlüsse. Er drückte die wacklige Klinke nach unten, stieß die Tür auf und stand schon nach dem nächsten Schritt in der Wohnung.
»Kommen Sie nur, Mr. Young«, hörte er Agatha Sarrazins Stimme. »Ich habe schon auf Sie gewartet.«
»Wie schön«, murmelte der Spekulant und schloß die Tür…
***
Auch im Leben eines Polizisten gibt es glückliche Momente. Daran mußte Suko denken, als sich die glänzende Schnauze eines Rolls aus der Einfahrt hervorschob und Suko trotz der abgedunkelten Scheiben erkennen konnte, daß nicht nur der Fahrer im Wagen saß, sondern auch sein Chef, Simon F. Young.
Auf seinen BMW hatte Suko verzichtet und sichèinen Dienstwagen geben lassen. Er stand zwar im Parkverbot, aber sehr günstig, so daß sich Suko an das Heck des Rolls hängen konnte, um mit der Verfolgung zu beginnen. Ob es richtig war, was er hier tat, wußte er nicht. Immer noch besser, als im Büro zu hocken, obwohl eine Verfolgung durch das verkehrsreiche London auch nicht erstrebenswert sein konnte.
Wo wollte Young hin?
Suko ahnte es, als sie Lambeth Bridge überquert hatten und in den südlichen Bereich der Stadt gerieten, wobei sie die graue Industrie- und Wohngegend nicht verließen.
Es ging um das Objekt.
Das wiederum wunderte den Inspektor. Typen wie Simon F. Young handelten zwar damit, aber sie hüteten sich davor, es mehr als einmal und nur zur Besichtigung zu besuchen. Daß er trotzdem hinwollte, mußte einen schwerwiegenden Grund haben.
Tat sich dort etwas?
Wenn ja, was hatte sich abgespielt?
Suko konnte nicht einmal raten. Er wollte jedenfalls alles auf sich zukommen lassen.
In der Industriegegend war es für ihn nicht einfach, unentdeckt zu bleiben. Er hielt den nötigen Abstand ein und hoffte darauf, daß ihn der Fahrer des Rolls nicht bemerkt hatte.
Suko glaubte auch nicht, daß Young John Sinclair einen Besuch abstatten wollte, der mußte einfach ganz andere Pläne haben.
Lange dauerte es nicht mehr, bis sie die Straße erreicht hatten, in der das bewußte Haus stand.
Der Rolls stoppte hinter einem Rover, der Suko verdammt bekannt vorkam.
John fuhr ihn.
Er passierte beide Fahrzeuge. Im Rückspiegel sah er, wie Young den Wagen verließ.
Suko fuhr noch weiter. Er stoppte am Ende der Straße, wo ein kleines Haus auf einem viel zu großen Grundstück stand, dessen freie Fläche als Parkplatz diente.
Auch Suko stellte seinen Rover dort ab. Einige Augenpaare beobachteten ihn. Wahrscheinlich dachten die in der Nähe herumlungernden Typen daran, was sie alles gebrauchen konnten, und Suko erklärte ihnen, daß es für sie ärgerlich werden würde, wenn er etwas vermißte. Hier verschaffte ihm sein Polizeiausweis etwas Respekt.
Dann ging er zurück.
Es war ein Weg der Trauer.
Kein Haus war mehr so in
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