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0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

Titel: 0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Unterkörper hingen.
    Dann rollte ich mich über das Eis, wo es noch hart war, und Jessica, meine Lebensretterin, kroch auf mich zu, weil sie mich bei diesen Bewegungen unterstützen wollte.
    Ich selbst konnte nicht viel dazu beitragen, und den wichtigen Rest übernahm sie ebenfalls.
    Sie befahl mir, auf dem Rücken liegen zu bleiben. Der Platz war günstig, denn wir wurden beide von der Sonne beschienen. Dann zog sie mich aus. Und es war ihr egal, ob ich rücklings mitten auf dem zugefrorenen St.-Moritz-See lag, wo die Schickeria oft genug ihre Champagnerfeste feierte und Polo auf dem Eis spielte.
    Es gab zwar Menschen, die uns sahen. Die wiederum waren zu weit entfernt, um Einzelheiten erkennen zu können.
    Jessica arbeitete schnell und geschickt, bis ich nackt war. Dann zog sie ihren gefütterten Parka aus und deckte mich zu, damit ich das Gefühl einer gewissen Wärme bekam.
    Sie ging weg und holte Schnee.
    Als sie zurückkam, ging es los. Sie rubbelte mich mit dem Zeug ein. Sie keuchte selbst und geriet ins Schwitzen, während in mich allmählich die Wärme und damit auch das Leben zurückkehrte.
    Ich wollte zwischendurch etwas sagen, aber Jessica hatte heute ihren strengen Tag und verbot mir den Mund. So ließ ich sie arbeiten und fragte mich, wie das alles hatte geschehen können.
    Der See war zugefroren. Es gab eigentlich keinen Flecken, wo das Eis hätte dünn sein können. Und wenn dies tatsächlich so war, dann konnte man es sehen.
    Nicht an dieser Stelle.
    Das Eis war urplötzlich gebrochen. Und Jessica Long, die vor mir gegangen war, hatte zwei Sekunden zuvor dieselbe Stelle passiert, ohne daß ihr etwas passiert war. Da kam ich nicht mit. Das mußte einen anderen Grund haben. Ich dachte wieder an die Warnung, die mir von Franca Simonis in Form des beschriebenen Zettels zugesteckt worden war.
    Ich lachte nicht mehr darüber. Im Gegenteil, jetzt mußte ich sie einfach ernst nehmen.
    Ohne Grund war das Eis unter meinem Gewicht gebrochen. Ich konnte nichts dafür, ich war nicht so schwer, es mußten einfach andere Kräfte eine Rolle spielen.
    Da kam ich ins Grübeln…
    Sollten sich meine Erzfeinde an meine Fersen geheftet haben? Wollten sie mich hier im Oberengadin, wo ich eine Woche Urlaub machen wollte, aus dem Weg schaffen?
    Zuzutrauen war es ihnen.
    Der Urlaub war ja nicht meine Idee gewesen. Jessica hatte mich dazu überredet. Jetzt mußte ich davon ausgehen, daß mich die Schwarzblütler nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen hatten und immer bereit waren, mich zu töten.
    Zwei Hände rubbelten weiter. Ich wußte, daß sie zupacken konnten, aber so kräftig hatte ich sie noch nicht erlebt. Jessica war in diesen langen Minuten ein Phänomen, sie brachte meinen Kreislauf wieder einigermaßen auf Vordermann, und die warme Märzsonne tat das ihrige, um meine Kleidung einigermaßen zu trocknen.
    »Du kannst das Zeug trotzdem nicht anziehen«, sagte Jessica, als sie sich aufrichtete und eine Pause einlegte.
    »Warum nicht?«
    Sie krauste die Nase. »Zu feucht.«
    Ich grinste schief. »Soll ich nackt zurück ins Hotel wandern? Oder in deinem Parka?«
    Jessica lachte laut auf. »Das wäre mal was Neues. So was haben die Leute hier sicherlich noch nicht gesehen. Nein, es gibt eine andere Möglichkeit. Du wartest hier auf mich, bis ich mit neuer Kleidung zurückkomme. Ich laufe über den See nach St. Moritz. Dort bekomme ich alles, was ich haben will.«
    »Und ich bleibe hier solange liegen - wie?«
    »Ja.« Bisher hatte sie gekniet, nun stand sie auf. Sie lächelte auf mich herab. »Stell dir mal vor, es kehrt deine neue Freundin zurück. Was würde die dazu sagen, wenn sie dich fast nackt auf dem Eis liegen sieht? Wäre doch einen Spaß wert, nicht?«
    »Hör auf, so bissig zu sein.«
    »Bin ich das?«
    »Ja, das bist du.« Ich lächelte weich. »Trotzdem, ich bedanke mich. Du hast mir das Leben gerettet, Jessica.«
    Sie winkte ab. »Ach, vergiß es. Das hätte ich auch bei jedem anderen getan.«
    »Du wirst lachen, das glaube ich dir sogar.«
    Sie hob ihre Sonnenbrille auf, die sie bei der Aktion verloren hatte. »Ich werde mich beeilen, das verspreche ich dir. Es kann trotzdem eine Stunde dauern.« Sie deutete auf die Stadt. »So nahe liegt sie auch nicht.«
    »Ich weiß«, stöhnte ich gottergeben.
    Jessica winkte mir noch einmal zu und verschwand. Sie hatte kaum etwas von der Nässe mitbekommen.
    Mir war ja schon viel passiert. Es hatte auch keinen Sinn, darüber nachzudenken. Was ich nun allerdings

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