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0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

Titel: 0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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    Der Fremde stand auf, und Elohim wagte es, den Kopf wieder leicht zur Seite zu drehen. So konnte er mit einem Auge den Weg des Mannes verfolgen.
    Der brauchte nur einen Schritt zu gehen, um sein Ziel, die Trennwand, zu erreichen. Dicht davor blieb er stehen und zielte mit seiner Waffe gegen die Wand.
    Es lag auf der Hand, was er vorhatte. Wenn sich die Frau wieder meldete, würde er genau achtgeben, von wo sie sprach. Und die Kugeln würden die Wand so leicht durchschlagen, als bestünde sie aus Papier.
    Elohim wollte sich aufrichten. Als der Mann das leise Knarren der Matratze hörte, fuhr er herum.
    »Leg dich hin!«
    Der Junge sank zusammen.
    In diesem Augenblick meldete sich Dagmar wieder. »Was ist denn los? Warum kommst du nicht? Hat der Mann…?«
    Der Mann schoß.
    Einmal, zweimal, dreimal. Etwa in Höhe des unteren Bettes feuerte er durch die Wand, und er zielte nicht nur auf eine Stelle, sondern fächerte die Kugeln.
    Drei Löcher waren entstanden. Schußgeräusche waren jedoch so gut wie keine zu hören gewesen, denn der Fremde hatte einen Schalldämpfer modernster Konstruktion benutzt. Die Schüsse waren auf das untere Bett abgegeben gewesen. Wer immer dort gelegen hatte, er mußte einfach getroffen worden sein.
    War etwas zu hören?
    Der Mann lauschte, und auch Elohim wagte es nicht, laut zu atmen. Aus Furcht, etwas zu zerstören.
    Keine Reaktion.
    Kein Schrei, kein Stöhnen oder Ächzen. Im Nachbarabteil blieb es beinahe totenstill.
    Der Fremde war zurückgetreten und hatte seine Waffe wieder auf den Jungen gerichtet. Er wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Dieser Mann dampfte, als befände er sich in einer heißen Sauna.
    Es tat sich nichts. Schließlich bückte sich der Fremde und warf einen Blick durch eines der Löcher.
    Elohim hatte sich aufgesetzt. Unbeweglich hockte er auf dem Bett. War Dagmar tot? Würde der Mann sich umdrehen und ihm die Schreckensmeldung überbringen?
    Er drehte sich um.
    Mit ihm auch die Waffe.
    Schräg zielte er auf den Kopf des Jungen. »Der ist langsamer geworden, wir werden bald halten. Es ist Karlsruhe. Und dort werde ich den Wagen verlassen…«
    ***
    Die Klaue eines Eisriesen hatte mein rechtes Bein umklammert und griff auch nach dem linken. Das Wasser war so kalt, daß ich es nicht beschreiben konnte, aber ich befand mich innerhalb weniger Sekunden in einer fatalen Lage, denn ich war durch das Eis gebrochen und stand mit beiden Beinen im Wasser, ohne allerdings den Grund zu spüren. So nahe am Ufer waren wir auch nicht. Der See war hier so tief, daß er einen Menschen schlucken konnte.
    Das Eis brach weiter.
    Es knisterte und splitterte. Während ich sackte, sah ich ein Netz von Rissen auf der so urplötzlich dünn gewordenen Eisschicht. Es waren seit dem ersten Durchbruch vielleicht zwei, drei Sekunden vergangen. Genau die Zeit, die Jessica Long benötigte, um festzustellen, daß etwas hinter ihrem Rücken geschehen war.
    Sie drehte sich um.
    Dort, wo sie stand, war das Eis noch normal hart. Dann rief sie nur ein Wort: »John!«
    »Verdammt, ich…«
    Ich sackte noch tiefer. Meine Kleidung saugte sich voll. Das Wasser stieg plötzlich so hoch, daß es mein Kinn erreichte. Es fühlte sich an, als wäre die Haut mit einer Rasierklinge eingeschnitten worden. Noch immer fand ich keinen Grund unter den Füßen, aber ich hatte mich instinktiv richtig verhalten, die Arme ausgebreitet und sie so flach wie möglich auf die Eisfläche neben das Loch gelegt.
    Doch die dünne Decke knirschte und knackte weiter. Es waren Geräusche, die mir die Haare zu Berge stehen ließen, und ich erlebte das gesamte Geschehen wie im Zeitlupentempo, wobei ich das Gefühl bekam, daß ich mich schneller bewegte als Jessica.
    Sie eilte auf mich zu.
    Oder bildete ich mir das alles nur ein? Sie sah aus meiner Perspektive übergroß aus, bewegte auch die Arme, so daß sie mich an einen herbeifliegenden blauen Engel erinnerte.
    Noch hing ich fest.
    Das Eis hielt. Rechts und links von mir hatte es zwar geknackt und geknirscht, trotzdem hielt das Eis meinem Druck stand. Das allerdings konnte sehr schnell vorbei sein, denn ich traute dem Eis nicht viel zu. Hoffentlich beging Jessica nicht den Fehler, weiterzulaufen. Nein, sie behielt die Nerven. Sie schrie auch nicht um Hilfe, sondern wollte es allein schaffen.
    Sie fiel hin.
    Vorsichtig sogar, auch wenn es Zeit kostete. Lang legte sie sich auf das Eis, breitete die Arme aus und spreizte die Beine. Eine perfekte Lage, wie

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