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0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

Titel: 0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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als hätte der Mann um den Mund herum einen roten Bart bekommen. Dort war das Blut über seine Lippen gesickert, hatte sich aber in der Umgebung der Lippen gehalten. Es sah schaumig aus und zeigte ein Muster aus Blasen auf der Oberfläche. Wahrscheinlich war die Lunge durch einen ungemein starken Druck verletzt worden.
    Er richtete sich wieder auf.
    Sein Gesicht zeigte keine Regung. Auch dann nicht, als er gegen die Trennwand schaute und die drei Löcher sah. Sie waren eine Erinnerung an die Kugeln.
    Ihm wurde leicht übel, wenn er daran dachte, daß seine Gouvernante Dagmar von einem Geschoß erwischt worden war. Er mußte zu ihr gehen und nachsehen.
    Noch traute er sich nicht, denn beim letzten Halt waren einige Fahrgäste zugestiegen, die sich noch auf dem Gang aufhielten. Jedenfalls hörte er ihre Schritte und auch die flüsternden Stimmen.
    Die neuen passierten sein Abteil. Irgendwo wurde eine Tür überlaut zugeschlagen, dann wurde es wieder ruhig.
    Elohim schaute auf die Uhr.
    Die vierte Morgenstunde war angebrochen. Der längere Stopp würde in Basel sein, wo Wagen abgekoppelt wurden. Vorher hielten sie noch in Freiburg. Ihm wurde bewußt, daß er sich etwas einfallen lassen mußte, um die Leiche verschwinden zu lassen oder selbst den Zug zu verlassen, falls Dagmar keinen besseren Vorschlag aufzuweisen hatte, vorausgesetzt, sie hatte den heimtückischen Anschlag überlebt, was nicht so sicher war. Gemeldet hatte sie sich jedenfalls nicht.
    Er wartete noch einige Sekunden ab, zwang sich zur Ruhe, streifte sein Haar zur Seite und öffnete erst dann sehr vorsichtig die schmale Abteiltür.
    Zuerst schaute er nach links. Dort war der Gang menschenleer. Auch der Zugbegleiter war nicht zu sehen. Auf der rechten Seite verhielt es sich ebenso.
    Elohim schlüpfte aus dem Abteil. Seltsamerweise dachte er dabei an die Kugellöcher, die es abzudichten galt, damit alle Spuren verwischt waren. Vor seiner Abteiltür blieb er stehen. Er fror plötzlich. Schreckliche Bilder zuckten wie Momentaufnahmen durch sein Gehirn. Er sah Dagmar in ihrem Blut liegen, von drei Geschossen durchlöchert, bleich und blutig.
    Dieses Bild war wie ein Schatten gekommen und auch ebenso schnell wieder verschwunden.
    Er mußte es wissen.
    Als der Junge sein Abteil verlassen hatte, war die Tür offen geblieben. Dagmar würde sicherlich nicht wieder von innen abgeschlossen haben. Er drückte die etwas kantige Klinke nach unten und atmete auf, als er die Tür nach innen schieben konnte, wobei sie einen schwappenden Laut produzierte.
    Das war geschafft!
    Das Licht war mager. Er mußte sich erst daran gewöhnen. Zunächst hatte er das Gefühl, in einem düsteren Tunnel zu stehen, in dem die Einzelheiten verschwammen.
    Elohim traute sich nicht, nach Dagmar zu rufen. Er hatte Furcht, keine Antwort mehr zu bekommen.
    Sein Herz schlug schnell. Elektrische Ströme flossen durch seinen Körper. Die Hand lag zwar neben der Tür nahe des Schalters, doch auch ihn legte er nicht herum, aus Furcht davor, daß ihm die Helligkeit etwas Schreckliches zeigen könnte.
    Sein Blick glitt nach links, wo auch die beiden Betten übereinander gebaut waren.
    Er hatte oben gelegen, Dagmar unten.
    Dort lag sie auch.
    Er wußte, daß die drei Kugellöcher an der Wand ihre Spuren hinterlassen hatten, er sah den dunklen Körper, der etwas klumpig wirkte, weil die Beine nicht ausgestreckt waren.
    Die Frau rührte sich nicht.
    Der Schreck durchfuhr ihn wie eine heiße Messerklinge. Sollten die Kugeln doch getroffen haben.
    Das Schwanken des Wagens erinnerte ihn an eine rollende Gruft, in deren Mittelpunkt eben diese Tote lag, und er traute sich erst nach einer Weile, den Namen seiner Begleiterin flüsternd auszusprechen.
    »Dagmar…?«
    Nichts.
    Etwas drückte gegen seine Augen. Der Junge wußte, daß es Tränen waren, er hielt sie aber zurück.
    Dann versuchte er es mit einem erneuten Ruf, trat diesmal näher an die Liegestatt heran und beugte auch seinen Kopf vor, weil er endlich den Mut gefunden hatte, sich genauer zu informieren.
    Er hörte das Lachen…
    Zuerst bekam er einen Schreck, da er es nicht als solches identifizieren konnte. Er hatte den Eindruck, von einem Geist ausgelacht zu werden, der unsichtbar über ihm schwebte.
    Das Lachen wiederholte sich.
    Der Junge wußte Bescheid.
    Dagmar lebte!
    Und dann lachte auch er.
    Schrill und hoch, aber leise genug, um nicht im Nachbarabteil gehört zu werden.
    Dagmar richtete sich auf. Soviel Elohim erkennen konnte, war sie

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