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0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick

Titel: 0742 - Der Junge mit dem Jenseitsblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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erklären. Ich wußte, daß sich nebenan ein Drama abspielen würde. Man kann es auch als deine Feuertaufe bezeichnen, die du bestanden hast. Das war mir alles klar, es machte mir auch nichts aus, dich allein zu lassen, weil ich voll und ganz auf deine Kräfte vertraut und gebaut habe.«
    »Stimmt, Dagmar. Aber ich rede hier nicht von mir, sondern einzig und allein von dir.«
    »Na und?«
    »Wie konnte es geschehen?«
    Sie lächelte wissend. »Sehr einfach, denn auch ich bin etwas Besonderes, mein Kleiner.«
    »Du…?«
    »Ja, ich.« Sie stand auf und strich ihren Pullover glatt. Dann ging sie so weit zurück, bis sie mit dem Rücken beinahe das Waschbecken berührt hatte.
    Als der Junge aufstehen wollte, bedeutete sie ihm, sitzenzubleiben. »Nein, warte ab, mein Kleiner, denn jetzt bin ich an der Reihe. Ich werde es richten.«
    Er tat nichts. Starr schaute er seiner Gouvernante entgegen, die beide Arme leicht anhob und sie dabei so gut wie möglich ausstreckte. Auf ihrem Gesicht erschien ein Lächeln, und ihre Haut wirkte plötzlich viel bleicher als sonst.
    »Schau nur zu«, flüsterte sie dem Jungen entgegen. »Dann wirst du es begreifen.«
    Er schaute zu.
    Und er konnte nicht fassen, was er in den folgenden Sekunden mit eigenen Augen sah…
    ***
    Dagmar demonstrierte etwas, was übermenschlich war. Sie beugte sich sehr weit vor und hätte eigentlich durch diesen Winkel zu Boden fallen müssen, doch sie blieb in der Lage, hielt die Arme ausgestreckt und befand sich mit ihrem Kopf in Höhe des Gesichts ihres Schützlings.
    Der Zug fuhr durch die Nacht, die Wagen schwankten leicht, sie zitterten. Manchmal rumpelten sie auch, doch dies alles waren nur Nebengeräusche, die der Junge kaum mitbekam, weil ihn Dagmars Demonstration faszinierte.
    Sie blieb sogar in dieser Haltung, aber sie veränderte sie trotzdem, was so leicht aussah, es aber bestimmt nicht war, denn sie hob plötzlich ihre Beine an.
    Es geschah sehr locker, als hätte sie nie etwas anderes getan. Es hingen auch keine Bänder an den Beinen, die sie etwas hätten in die Höhe ziehen können, dies geschah aus eigener Kraft, und sie bildeten mit dem Oberkörper sehr bald eine Linie.
    Dagmar schwebte über dem Boden…
    Elohim rann es eiskalt den Rücken hinab. Dennoch verspürte er keine Angst, eher eine gewisse Freude darüber, unter einer Gleichgesinnten zu sein.
    Dagmars Kräfte waren mächtig und erfüllt von einem gewaltigen Zauber. Und sie schwebte unhörbar in die Höhe, immer der gewölbten Decke entgegen, so daß sie den Jungen an einen verkleideten Engel erinnerte. Um sie ansehen zu können, hatte er seinen Kopf zurückgelegt, sein Mund zitterte, nur war er nicht in der Lage, einen Kommentar abzugeben. So blieb er mit bebenden Lippen auf seinem Platz sitzen und ließ Dagmar nicht aus den Augen.
    Sie hatte jetzt die Decke erreicht.
    Das lange Haar hätte nach vorn fallen müssen, nur gehorchte es nicht mehr den Gesetzen der Schwerkraft, denn es stand an den Seiten ab, und zwischen den einzelnen Strahlen flimmerte es auf, als würden Lichtströme durch die Haarflut zischen.
    Sie blieb in diesem Zustand. Lächelte breit und präsentierte sich so dem staunenden Jungen.
    »Dagmar…«
    »Was ist?«
    »Du bist…«
    Sie ließ ihn nicht ausreden und lachte leise. »Ja, auch ich bin etwas Besonderes. Man hat mich nicht grundlos zu deinem Schutz abgestellt, mein Junge.«
    Elohim fröstelte. Dabei schwitzte er trotzdem. Die Luft im Abteil war eine andere geworden. Er hatte das Gefühl, von Kälte und Wärme zugleich getroffen zu werden. Wenn er einatmete, schien in seinem Kopf etwas zu explodieren, fremde Bilder stiegen vor seinem geistigen Auge auf. Er sah sich auf einem Thron sitzend, umgeben von einer gewaltigen Menschenmenge, eingehüllt in helle Blitze, und er sah, wie sich die Menschen vor ihm auf die Knie warfen. Er trug einen blauen Mantel, hielt einen Stab in seiner Hand, und aus dem Mantelausschnitt kroch ein kleines, bösartig aussehendes Tier, nicht größer als ein Eichhörnchen, versehen mit einem kleinen Ziegenkopf und zwei Hörnern. Es waren Bilder, die er nicht begreifen konnte, möglicherweise Visionen aus einer fernen Zukunft, obwohl er noch immer ausgesehen hatte wie ein Kind.
    Die Furcht nagte in ihm.
    Gleichzeitig auch die Freude darüber, daß er ebenfalls etwas Besonderes war.
    Die Bilder verschwanden in dem Augenblick als er seinen Blick von der schwebenden Frau nahm.
    Dagmar sank langsam zu Boden. Sie hielt dabei die Arme angelegt,

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