0743 - Finsternis
Signore? Nein, da irren Sie sich.«
»Es wäre in Ihrem eigenen Interesse.«
»Sie wollen mich doch ausschalten. Wie sollte es dann in meinem eigenen Interesse sein?«
Diesmal erfolgte die Antwort nicht so prompt. Er ließ sich durchaus Zeit, schaute sich die Frau genau an, und ihr wurde kalt unter seinem Blick. »Wissen Sie, es kommt darauf an, wie man stirbt. Man kann leicht sterben, so daß man es nicht mitbekommt. Man kann aber auch lange und langsam sterben. Es liegt einzig und allein an Ihnen, wie Sie ums Leben kommen. Wenn Sie mir den Namen der betreffenden Person sagen, wäre ich bereit, Sie schnell und schmerzlos zu töten. Sollten Sie sich anders entscheiden, wird es ein langer Tod für Sie, das verspreche ich Ihnen. Sie wären nicht die erste Person, die auf diese Art und Weise ums Leben gekommen wäre.«
Franca merkte das Eis auf ihrem Rücken. Es war eine unnatürliche Kälte, und sie kam von innen.
Der Mann hatte nicht nur gedroht, er war ein Sadist, ein mörderischer Killer, er würde seinen Vorsatz in die Tat umsetzen, und Franca dachte an ihre Waffe, die leider viel zu weit von ihr entfernt lag.
»Haben Sie es sich überlegt?«
»Si.«
»Dann bitte.«
Sie riß sich zusammen und flüsterte: »Ich habe mich für keine der beiden Möglichkeiten entschieden, verstanden? Ich will, daß Sie aus meinem Zimmer verschwinden und…«
Der Mann reagierte. Blitzschnell sprang er auf das Bett, das die beiden praktisch trennte.
Franca packte den Stuhl.
Der Mann sprang.
Sie schleuderte den Stuhl gegen ihn. Damit hatte er nicht gerechnet. Noch auf dem Bett stehend wurde er erwischt. Das Möbelstück fegte ihn zur Seite, er kippte zurück, fiel zu Boden, und Franca nutzte die Gunst der Sekunden, um an ihm vorbeizurennen.
Dann beging sie einen Fehler.
Sie hätte zur Tür laufen sollen, um durch sie zu verschwinden. Das tat sie nicht. Statt dessen dachte sie an ihre Waffe und auch an die damit verbundene Chance, mehr über die geheimnisvolle Organisation herauszufinden.
Sie mußte an den Schrank, sie mußte an ihre Handtasche, in der die Pistole steckte.
Der andere war schneller.
Sie hatte ihn wieder nicht gehört, aber sie bekam plötzlich den Treffer mit.
Etwas knallte gegen ihren Hinterkopf.
Daß es die Nachttischleuchte war, sah Franca, als sie den Kopf zur Seite drehte, denn da fiel die Lampe zu Boden. Der Teppich verwandelte sich in eine Eisfläche. Mit dem rechten Schuh rutschte sie weg, und ein nächster Schlag erwischte ihren Nacken.
Der Schwindel verwandelte sich in einen Taumel, der sie mitten hineinführte in die Schwärze der Bewußtlosigkeit.
Daß sie durch kräftige Hände aufgefangen wurde, bekam sie nicht mehr mit.
Und sie hörte auch nicht das teuflische Lachen des Mannes…
***
Irgendwann kam Franca Simonis wieder zu sich und wußte im ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Sie stellte nur fest, daß sie weder lag noch stand, sondern sich in einer schrägen Position befand, halb liegend und halb sitzend. An ihrem rechten Handgelenk spürte sie den Druck, der zuvor nicht vorhanden gewesen war, und sie konnte ihn sich nicht erklären. Zudem behinderten die Schmerzen in ihrem Kopf den Denkprozeß. Wichtig allein war, daß sie noch lebte.
Wie lange?
Und was war geschehen?
Sie riß sich zusammen. Man hatte ihr in der Ausbildung eingeprägt, so wenig Schwäche wie möglich zu zeigen. Stärke war wichtig. Oft genug ließen sich andere durch die Stärke eines Menschen mehr einschüchtern als durch eine Waffe.
Aber das war Theorie gewesen, in der Praxis, so wie jetzt, sah es schon anders aus.
Franca fühlte sich so verflucht hilflos, und sie wußte noch immer nicht, wohin sie geschleppt worden war. Erst allmählich lösten sich die grauen Schatten vor ihren Augen auf. Damit nahmen allerdings die Kopfschmerzen zu. Unter ihrem dichten Haar befand sich eine kleine Wunde. Dort hatte sie das Wurfgeschoß getroffen. Der folgende Schlag war auf ihren Nacken gezielt gewesen, denn auch dort strahlten die Schmerzen ab.
Eine Minute später schaute Franca in die Runde. Die Einrichtung kam ihr bekannt vor. Sie registrierte, daß sie sich im Bad befand. In dem Bad, das zu ihrem Hotelzimmer gehörte. Nur war das nicht alles, denn sie stand oder saß nicht einfach auf dem Boden, der Fremde hatte sich die Badewanne für sie ausgesucht, sie dort hingesetzt und mit einer Handschelle am Haltegriff gefesselt. Da mußte sie schon die Kraft eines Herkules haben, um ihn aus der Wand reißen zu
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