0744 - Die Verwandlung
man auch ihr das Herz aus dem Leib entfernt hatte.
Ich drehte mich um, schloß die Augen, schluckte einige Male, und als ich mich etwas später im Spiegel betrachtete, da glich mein Gesicht einer weißen Fläche.
Dagmar hatte mit ihrer Prognose recht behalten. Sie war ebenfalls getötet worden, und nun stand noch einer auf der Liste. Einer, der sich kaum wehren konnte, der dem verfluchten Killer schutzlos ausgeliefert war. Ich konnte mir vorstellen, wie die Kreatur der Finsternis durch das Hotel schlich und auf der Suche nach ihrem letzten Opfer war, um es grausam zu töten.
Wo sollte ich anfangen zu suchen?
Ich kannte das Hotel kaum. Ich wußte nicht, welche Gänge es noch gab. Ich hatte wohl von einem Keller gehört, in dem der größte Weinvorrat Graubündens lagern sollte.
Hatte sich der Killer dort versteckt? Wenn überhaupt. Bei diesem Gedanken wollte ich das als Salon eingerichtete Zimmer verlassen, drehte mich dabei, und mein geschultes Auge streifte noch einmal durch den Raum.
Da sah ich den Zettel.
Er fiel mir nicht auf, weil er neben dem Telefon lag, sondern wegen seiner hellen Farbe, die sich deutlich vor dem dunklen Holz abhob. Selbst aus der Entfernung war zu sehen, daß jemand ein Wort auf den Zettel geschrieben hatte.
Ich ging hin, schaute auf den Zettel, kannte die Handschrift nicht, las das eine Wort und wußte sofort, daß mir die Tote in den letzten Minuten ihres Lebens noch eine Nachricht hinterlassen hatte.
Sie bestand nur aus einem Wort.
KELLER
Ich saugte die Luft ein. Meine Lippen preßten sich zusammen. Mein erster Gedanke war wohl der richtige gewesen. Um den Killer zu finden, mußte ich in den Keller.
Befand sich dort auch der Junge?
Als ich an ihn dachte, bekam ich eine Gänsehaut. Ich war aber auch finster entschlossen, mit der Kreatur der Finsternis kurzen Prozeß zu machen…
***
Immer, wenn Elohim sich bewegte, klirrten die Glieder der Ketten, die ihn hielten.
Er wußte kaum noch, was man mit ihm gemacht hatte. Plötzlich war alles anders gewesen. Man hatte ihn niedergeschlagen und dann weggeschafft. Erwacht war er in einem düsteren, unheimlichen Gewölbe mit einer hohen Rundbogendecke und sehr mächtigen Wänden, vor denen sehr hohe, alte Weinfässer standen, die aussahen, als wären sie vor Hunderten von Jahren gebaut worden.
Seine Wand war frei.
Da gab es nur die Haken für die Kette, deren Spangen seine Handgelenke umklammerten, die sich hinter seinem Rücken befanden. Er konnte genau zwei Schritte nach vorn auf das Licht der Kerzen zugehen, dann kam er nicht mehr weiter.
Die Kerzen steckten in einem eisernen Leuchter, dessen Fläche einer runden Plattform glich. Elohim hatte Zeit gehabt, sie zu zählen und war auf die Zahl neun gekommen.
Neun hohe, weiße, schlanke Kerzen, die sicherlich noch eine Weile leuchten würden, und deren Flammen ihm wenigstens etwas Wärme entgegenstrahlten, denn trotz seines blauen Mantels fror er erbärmlich. Auf der Eisfläche hatte er nicht gezittert; hier allerdings. Wahrscheinlich nicht nur vor Kälte, auch vor Angst, denn er konnte sich denken, daß er nicht zum Spaß hier unten steckte.
Seine Kopfschmerzen waren fast verschwunden. Nur noch ein leichtes Tuckern durchzuckte seinen Kopf, ansonsten ging es ihm von der körperlichen Verfassung her relativ gut.
Er hatte Durst.
Seine Lippen waren rissig, spröde. Im Mund hatte er einen Geschmack, den er nicht definieren konnte. Ihm war, als hätten sich dort Staub und Galle miteinander vermischt.
Wie lange er sich schon in diesem Verlies befand, konnte er nicht sagen.
Das Zeitgefühl war ihm verlorengegangen, und auf seine Uhr schauen konnte er auch nicht.
Es hieß warten.
Der anderen Macht war es nicht gelungen, ihn zu dem zu machen, zu dem er vorbestimmt gewesen war, obwohl er in seinem Innern noch die Kräfte spürte, die ihn den meisten Menschen gegenüber überlegen machten.
Nur konnte er damit nichts erreichen, denn Ketten ließen sich auch durch die Kräfte nicht zerstören.
Was tun?
Nur warten. Vielleicht auf die Bösen, vielleicht aber auch auf Dagmar, die doch noch eine Chance gefunden hatte und den Weg in den Keller fand. Elohim sah erschöpft aus. Selbst das Kerzenlicht schaffte es kaum, die Blässe aus seinem Gesicht zu vertreiben. Er war zwar noch ein Kind auf der Schwelle zum Jugendlichen, doch der Reifeprozeß in seinem Innern glich eher dem eines Erwachsenen.
Elohim trug nicht nur einen besonderen Namen, er hatte auch ein besonderes Schicksal hinter sich,
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