0745 - Angst über Altenberg
Der Märchenwald liegt nicht weit weg…«
Ich lächelte ihm zum Abschied zu. »Ein Märchen ist das sicherlich nicht, Herr Massow.«
Er nickte. Ob er es allerdings begriffen hatte, das stand in den Sternen…
***
Es war Elohim gelungen, das Zimmer unbemerkt zu verlassen, und das freute ihn.
Auf seinem Gesicht verschwand die Spannung allmählich, als er sich unter dem Geäst der Bäume herbewegte, die auf dem Platz vor dem Lokal wuchsen.
Er wandte sich nach rechts. Schon bald ragten die Mauern des Altenberber Doms vor ihm hoch, und der Junge konnte nicht anders, als schaudernd stehenzubleiben.
Es trieb ihn zurück in seine Erinnerungen, und er dachte daran, daß er den Dom schon früher besucht hatte. Manchmal gern, dann wieder mit großem Ekel. Einmal hatte er sogar einen Schreikrampf bekommen und sich geweigert, das Gebäude zu betreten.
Auch jetzt war ihm etwas mulmig. Nicht daß er sich vor den Mauern hätte abgestoßen gefühlt, dieses mächtige Bauwerk erzeugte bei ihm Beklemmungen und einen leichten Schweißausbruch. Eine Vision hatte er nicht, doch er ahnte, daß der Dom in seinem Fall noch eine Rolle spielen würde, darauf hätte er jeden Eid geleistet.
Es wurde zwar keine Messe abgehalten, trotzdem befanden sich Menschen in der Kirche. Einige gingen hinein, andere verließen sie wieder. Sogar eine Gruppe sah er, und er erinnerte sich daran, daß der Dom oft genug von Fremden besucht wurde.
In seiner Nähe hörte er Schritte. Ein Pater kam ihm entgegen, und Elohim erschrak. Er kannte dessen Gesicht von früher her, nur fiel ihm der Name nicht ein.
Der Geistliche mußte auch ihn erkannt haben, denn er stutzte. »Kennen wir uns nicht?« fragte er freundlich.
Elohim schüttelte heftig den Kopf. »Nein, gar nicht.«
»Doch, Junge, ich…«
Bevor sich der Mann noch erinnern konnte, war Elohim verschwunden. Er rannte einfach weg, und der Geistliche schaute ihm kopfschüttelnd hinterher. »Seltsam, ich hätte schwören können, ihn schon gesehen oder unterrichtet zu haben.«
Elohim hatte es eilig. Er nahm einen anderen Weg und passierte eine kleine gepflegte, parkähnliche Anlage an deren rechter Seite ebenfalls ein Restaurant lag. Durch die kleinen Fenster schimmerte gelbliches Licht, auch über der Tür leuchteten zwei Lampen. An dieses Gelände schloß sich ein Parkplatz an. Einige wenige Fahrzeuge standen dort einsam und verlassen. Der Junge hörte seinem eigenen Keuchen zu, als er den Parkplatz überquerte, auf eine mit Steinen gepflasterte Straße gelangte, die hoch zu einer schmalen Brücke führte. An ihrem Ende blieb er stehen und schaute nach links. Er hielt sich direkt an der Durchgangsstraße auf, die in Serpentinen hochführte und der nächste Weg zur Autobahn war.
Fahrzeuge huschten an ihm vorbei. Manchmal blendeten ihn ihre Lichter, denn der Junge bewegte sich ziemlich dicht am Rand der Straße entlang weiter.
Er mußte in die andere Richtung und auf die andere Seite, wobei er eine weitere Fahrbahn mit schnellen Schritten überquerte. Jetzt befand er sich dort, wo er vor kurzem noch mit John Sinclair hergefahren war. Nur ging er langsamer am rechten Fahrbahnrand.
Hier war der Verkehr nicht so stark, und Elohim konnte sich wieder mehr auf sich selbst konzentrieren.
Beim Vorbeifahren hatte er es gespürt. Er wußte genau, daß sich im nahen Wald, der bereits zum Komplex eines Wildparks gehörte, etwas Unheimliches verbarg.
Er schüttelte sich, als er daran dachte, und er wußte auch, daß dieses Unheimliche in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihm stand, mit seinem persönlichen Schicksal. Er mußte jetzt vorsichtig sein und sehr aufpassen, damit er nicht an der Stelle vorbeilief.
Würde er sie spüren? Würde er das andere merken, das da als etwas Fremdes lauerte?
Elohim wußte es nicht. Er fror nur, aber das war eine andere Kälte, die mehr von innen kam. Sein dicker, schwarzer Pullover reichte normalerweise für diese Temperaturen aus.
Seine Schritte stoppten abrupt. Es sah so aus, als hätte er einen Befehl bekommen. So ähnlich war es auch, denn in seinem Kopf zirkulierte eine Botschaft.
Hier war es.
Elohim atmete tief durch. Über seinen Rücken rann ein kühler Schauer. In den Augen spürte er ein Brennen, und seine Lippen bewegten sich, als würde er mit sich selbst sprechen.
Dann ging er weiter, drehte sich nach rechts und wäre beinahe in den schmalen Straßengraben gefallen. Er fing sich noch, übersprang ihn dann und landete im Unterholz, das einen beinahe schon
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