0746 - Das ägyptische Grauen
gute Zielscheibe gab er bei diesem Licht nicht ab, dennoch fühlte er sich unwohl. Seiner Meinung nach wurde Cadi allmählich zu einem Übermenschen, der gleichzeitig überall war und seine Welt unter Kontrolle hielt.
Draußen war nichts Verdächtiges zu sehen. Das Meer hatte eine andere Farbe angenommen. Eine düstere Decke hatte sich über die Wogen gelegt, nur an wenigen Stellen eingerissen, sodass kleine Schaumkronen mit den Wellen um die Wette tanzen konnten.
Der weite Himmel zeigte ein Muster aus unterschiedlichen Farben.
Die Farben vermischten sich miteinander und unter ihnen hinweg trieben dünne Wolkenbänke, die einen Blick auf den Mond freigaben. Er glotzte auf das einsame Eiland nieder, als wollte er es allein durch seine Beobachtung beschützen und den Kräften des Bösen erklären, dass sie nichts zu fürchten brauchten.
Die Kräfte des Bösen!
Darüber dachte Suko nach. Leider gehörte er nicht zu den Menschen, die in der Lage waren, sie direkt zu spüren. Er konnte sich da nur auf seinen gesunden Menschenverstand verlassen und eben auf den sechsten Sinn. Natürlich fügte er die Informationen über Cadi hinzu und kam zu dem Ergebnis, dass dieser Mensch – falls es einer war – nicht mit normalen Maßstäben gemessen werden konnte.
Cadi war anders. Halb Mensch, halb Dämon oder Geist. Er stand im Einklang mit gewissen Gesetzen, er hatte nicht nur die Insel unter seine Kontrolle gebracht, sondern auch die Lebewesen, die sich darauf zurückgezogen hatten. Das beste Beispiel war der Falke.
Sukos Gedanken stutzten, als er an den Falken dachte. Er brachte ihn in die Verbindung zu Ägypten, denn der Totengott Horus war in der Gestalt eines Falken oft genug abgebildet worden. Das hatten alte Gräberfunde bewiesen.
Cadi war Ägypter. Man sagte ihm gewisse Kenntnisse nach. Er musste sich auskennen, er würde vieles von seinen Ahnen und Urahnen übernommen haben.
Möglicherweise war er sogar die Wiedergeburt eines Hohen Priesters. Das alles gab es, das hatte Suko bereits erlebt.
Er atmete tief durch und überlegte, wie lange er noch im Haus bleiben sollte. Sein Plan sah vor, die Insel zu durchsuchen, um auf Cadis Versteck zu stoßen. Er würde sich vorsichtig bewegen müssen, wobei er sich gleichzeitig fragte, ob es Sinn hatte, denn sicherlich war Cadi längst über den neuen Besucher informiert, und wenn es durch den Falken geschehen war.
Er hörte ein leises Piepen. Das Gerät, das ihn mit der Außenwelt verband, meldete sich. Suko trat vom Fenster zurück in den tiefen Schatten. Erst dort meldete er sich.
»Endlich«, klang wieder die neutrale Kratzstimme auf. »Ich dachte schon, es wäre etwas passiert.«
»Nein.«
»Alles gut bisher?«
Suko hörte sehr deutlich das Lauern hinter der Frage. Wahrscheinlich erwartete die andere Seite eine Erfolgsmeldung, die aber konnte er dem Mann nicht geben. »Es ist hier ruhig.«
»Dann hat sich Cadi nicht gezeigt?«
»Nein, noch nicht.«
»Dieses feige Schwein.«
Suko räusperte sich, was den anderen unterbrach. »Ich nehme an, dass er seine bestimmte Taktik hat.«
»Hoffentlich haben Sie die auch, Mister.«
»Bis später.«
Suko war sauer, er hatte schnell abgeschaltet. Er mochte die Leute nicht und sie mochten ihn nicht. Sie würden niemals Freunde oder Partner werden können, aber zusammenarbeiten mussten sie. Sollte der Fall für Suko glimpflich ablaufen, nahm er sich vor, gerade mit diesem Typen ein paar deutliche Worte zu reden.
Er hatte das Gerät wieder weggesteckt und war dabei, die dunkle Ecke zu verlassen, als er den Schatten sah. Blitzschnell huschte er an der Scheibe entlang.
Ein Vogel?
Suko zuckte zurück. Er wartete im toten Winkel, konnte von dort aus gegen die Scheibe schauen und hoffte, dass der Schatten noch einmal zurückkehrte.
Er kam zurück und Suko erkannte in ihm den Falken. Diesmal stoppte das Tier seinen schnellen Flug und sah aus, als wäre es mitten in der Luft stehen geblieben. Es glotzte in das Zimmer.
Suko sah den langen Schnabel, der vorn spitz war und in einer leichten Krümmung zulief. Ferner sah er die Augen, die ihm vorkamen wie böse Kugeln, als sie durch die Scheibe starrten und nach dem Menschen suchten.
Sekunden vergingen.
Hatte der Falke ihn gesehen? Warum blieb er vor der Scheibe mitten in der Luft stehen? Was hatte er vor? Einen Angriff? Dann kratzte sein Schnabel von außen über das Glas. Zuerst nur leicht, aber das Tier veränderte die Geräusche, denn nun schlug es hart mit dem Schnabel gegen
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