0753 - Die Blutbuche
und wußte, daß dieser Mann kein Spinner war.
»Ich weiß ja nicht, wann Sie bei mir hatten sein wollen, Mr. Sinclair, aber es ist Eile geboten. Ich weiß auch nicht, was mit meiner Frau geschehen ist. Ich habe überall gesucht, aber Betty ist und bleibt verschwunden.«
»Wir werden sie gemeinsam finden, Mr. Carr.«
»Ihr Wort in Gottes Ohr.«
»Bitte, bleiben Sie so lange im Haus, bis mein Kollege und ich eingetroffen sind. Alles andere wird sich dann ergeben, Mr. Carr.«
»Gut, ich warte.«
Zuletzt hatte seine Stimme wieder etwas heller geklungen. Das Gespräch mit mir hatte ihm Mut gegeben. Ich blieb noch für eine Weile auf der Bettkante sitzen und dachte über das Gehörte nach.
Was er mir gesagt hatte, ließ auf eine gewisse Aktivität schließen, die mir eigentlich nicht unbekannt war.
Ich hatte ähnlich kleine Wesen mal in Südtirol erlebt, in Laurins Steingarten. Möglicherweise gab es zwischen diesen Vorgängen sogar eine Verbindung.
Suko wußte von seinem Glück noch nichts. Mein Telefonanruf holte auch ihn aus dem Schlaf. Im Gegensatz zu mir meldete er sich mit einer Stimme, die ziemlich wach klang.
»Aufstehen«, sagte ich nur.
»Gibt es einen Grund dafür?«
»Ja. Einiges an Ärger, und wir sollten uns beeilen.«
»Muß ich packen?«
»So weit ist es nicht. Ich erzähle dir alles in deinem Auto.« Damit war auch klar, mit welchem Wagen wir fahren würden. Von Suko hörte ich ebenfalls keinen Protest.
***
Wir hatten gedacht, das Haus in einer naturfreundlichen Ruhe vorzufinden, doch das war nicht der Fall. Bevor wir es erreichten, mußten wir einem Lastfahrzeug ausweichen und dabei bis dicht an den Graben heranfahren, damit uns die Zugmaschine mit ihrem Wagen passieren konnte.
Es war hell geworden, und mir fiel auf, daß die Waldarbeiter schon sehr früh auf den Beinen waren.
Suko hatte sich einige Male umgeschaut. »Das ist ja hier richtig romantisch.«
Ich gab ihm recht und wiegelte gleichzeitig ab. »Manchmal kann auch hinter einer romantischen Fassade der Tod lauern.«
»Wenn du meinst.«
Der Wagen hatte uns passiert. Als Erinnerung an ihn hingen noch einige Staubwolken in der Luft, die ansonsten zu dieser morgendlichen Stunde noch würzig und klar roch.
Man hatte uns wieder einen heißen Tag vorhergesagt. Viel zu heiß für den Monat Mai, der bereits in die zweite Hälfte eingegangen war. Die Sonne war strahlend hell aufgegangen.
Wir rollten auf das Haus zu. Der Weg mündete in dem breiten Platz davor, wo wir unser Fahrzeug bequem abstellen konnten. Amos Carr hatte schon auf uns gewartet. Er stand neben einem wuchtigen Baumstumpf, auf dem einige Papiere lagen. Damit sie nicht weggeweht wurden, hatte er sie mit einem Stein beschwert.
Suko war von mir voll und ganz eingeweiht worden. Auch er hatte sich über unseren neuen Fall sehr verwundert gezeigt, ihn aber zunächst kommentarlos hingenommen.
Amos Carr trug jetzt ein dunkelrotes Hemd, dessen Ärmel aufgekrempelt waren. Die Enden seiner Hose hatte er ebenfalls hochgeschoben, damit die Schnürschuhe auch paßten.
Als wir ausgestiegen waren und näher an ihn herankamen, sah ich, wie sein Gesicht durch die dunklen Ringe unter den Augen gezeichnet war. In den Winkeln zeigte sich eine blasse Röte. Dieser Mann hatte nur wenig geschlafen. Seine Schulter hatte er verbunden. Man konnte es durch den Hemdstoff erkennen.
Obwohl er einen festen Händedruck hatte, spürte ich doch, daß er zitterte. »Ich bin froh, daß Sie gekommen sind. Lange hätte ich es kaum ausgehalten.«
Der Mann war fertig. In diesem Zustand hatte ich ihn während unserer ersten Begegnung nicht erlebt.
Ich stellte Suko vor, und Amos Carr lächelte. Dann sagte er: »Der Betrieb geht weiter, das werden Sie ja eben erlebt haben. Zum Glück konnte ich den Forstrat abwimmeln, der unbedingt vorbeikommen wollte. Er hat den Besuch auf die nächste Woche verschoben, und mein direkter Chef, der Förster, hat Urlaub.«
»Dann stört also niemand unsere Kreise?« fragte ich.
»Nein. Abgesehen von den Arbeitern, die ich nicht nach Hause schicken konnte. Man hätte mir den Grund nicht geglaubt. Aber einer von ihnen ist auch nicht gekommen.«
Ich überging das Thema und fragte nach seiner Frau, während sich Suko von uns entfernt hatte und sich zuerst das Haus betrachtete, um sein Interesse anschließend der Blutbuche zuzuwenden, über die er ebenfalls durch mich Bescheid wußte.
»Von Ihrer Frau haben Sie nichts wieder gehört?« erkundigte ich mich noch einmal,
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